Das letzte Mal

Unsere Redakteurin war dreimal als einzige Frau auf Junggesellenabschieden dabei und erzählt uns aus dem Nähkästchen.

Es gibt viele Dinge, die ich nicht verstehe, Junggesellenabschiede zum Beispiel. Von was genau gilt es sich da eigentlich kurz vor der Hochzeit zu trennen? Herauszufinden, wie insbesondere Männer sich in die Ehe verabschieden, barg für mich als bekennende Single-Frau einen besonderen Reiz. Dreimal kam ich in den Genuss, einer solchen Veranstaltung als einzige Frau beizuwohnen. Ein viertes Mal brauche ich nicht.

 

Text: Alexandra Stern
Foto: bernardbodo – Fotolia.com

Der erste Junggesellenabschied war, soviel steht fest, der emotionalste. Ich hatte auf einer Party in einer anderen Stadt einen Mann getroffen, der alles war, was ich mir wünschte: aufmerksam, witzig, direkt, männlich, gutaussehend und Single. Wir unterhielten uns angeregt, und als ich gehen musste, bat er um meine Telefonnummer, um mir von da an heiße und vielversprechende Nachrichten zu schicken. Bereits am nächsten Tag schrieb er, er müsse mich schnellstmöglich wiedersehen. Ob ich nicht am Wochenende Zeit hätte? Er würde er einen Junggesellenabschied ausrichten, vielleicht wolle ich ja dazukommen …

Natürlich wollte ich. Ich wollte ihn und die Antwort auf meine Eingangsfrage. Dass ich als einzige Frau eingeladen war und den Gastgeber gerade erst kennengelernt hatte, verunsicherte mich nicht. Im Gegenteil: Ich war neugierig, gespannt, offen für alles und ja, auch ein bisschen verliebt in den Herrn. Also scheute ich keine Mühen, um zu ihm und der Party für den Noch-Junggesellen zu kommen. Letzterer freute sich, mich kennenzulernen, seine Solidarität gegenüber dem Gastgeber war jedoch offensichtlich. Fakt war (wie sich später herausstellte): Ich sollte als neue Beute des Einladenden präsentiert werden. Er und seine zehn Freunde grillten im Garten, schmissen ein Bier nach dem anderen, alberten herum und gaben ihre News zum Besten. Zwischendurch versah mich mein Gastgeber mit dem einzigen „Frauengetränk“ des Abends – Prosecco – und tätschelte mich immer offensiver. Ich ließ es geschehen, glaubte ich doch noch immer an das Gute im Mann. Als der Bräutigam seine Geschenke erhielt, stieg zudem der Unterhaltungsfaktor um einiges. Ich will jetzt nicht aufzählen, welche albernen Scherzartikel und verstaubten Jugenderinnerungen auf den Gabentisch wanderten, beeindruckt hat mich nachhaltig nur eines: eine Knetfigur, die an pornographischer Eindeutigkeit nicht zu überbieten war. Es handelte sich um einen Mann – offensichtlich der Bräutigam – und eine vor ihm knieende Blondine, die ihm den Schwanz lutschte. Einen Riesenschwanz natürlich. Der Herr lehnte an einer Art Säule, die sich, wie ich erfuhr, im Wohnzimmer des Gastgebers befand. Der wiederum die Dame näher kannte und sie dem Bräutigam vor längerer Zeit „zugeführt“ hatte. Was Männer eben untereinander so machen.

Ich bestaunte erst die Pornopüppi, dann die Säule und sah dann zum ersten Mal die Blicke der anderen auf mich in einem ganz anderen Licht. Blond bin ich ja auch… Dass ich nur für den Gastgeber in Frage kam, schien eine längst besiegelte Sache zu sein, auf die ab da jeder anzustossen schien. Ich entschied, abzuwarten, und beobachtete fasziniert, wie die Knetfigur von den Männern in immer neue Pornopositionen gebracht und geformt wurde. Das ganze Sexleben des Bräutigams wurde nachgespielt, die Männer grölten, klopften sich die Schenkel und grinsten mich an. Irgendwann ging es nur noch um Sex und wer mit wem – und ich verabschiedete mich ins Bett des Gastgebers, der alsbald folgen wollte. Während ich mich im Bad wusch, dachte ich über die Tatsache nach, dass ich offenbar nur als eigennütziges Geschenk des Gastgebers an sich selbst vorgesehen war. Irgendwie nicht das, was ich mir erhofft hatte. Als ich dann noch hörte, wie die ausnahmslos betrunkene Freundesmeute ein ähnliches Szenario wie das der Knetfiguren für mich und den Einlader diskutierte, war mir klar: Ich schlafe am besten so schnell wie möglich ein. Ein schwieriges Unterfangen bei zu viel Alkohol… Als der Gastgeber wenig später nackt sein Schlafgemach betrat und ich sah, dass er nichts gemein hatte mit den Proportionen des Bräutigams, stellte ich mich kurzerhand schlafend und wurde am nächsten Morgen dann auch höflich, aber direkt und ohne Frühstück zur Tür gebracht.

Mein Fazit zu Junggesellenabschied Nr.1: Hätte ich mir sparen können, aber immerhin war ich Zeugin eines – aus meiner Sicht unspektakulären – Junggesellenabschieds geworden.

Der zweite sollte zur Verifizierung dienen und bestätigte meine bisherigen Annahmen mit dem Zusatz, dass ich diesmal mit einem Herren der Runde tatsächlich schlief. Von ihm war ich eingeladen worden, da ich die Striptease-Tänzerin organisiert hatte, die für den Bräutigam in dessen Wohnung „tanzen und sich ein bisschen an ihm reiben“ sollte. Aber bitte nicht zu viel. Wahrscheinlich sollte ich als eine Art Anstandsdame agieren, was ich gerne tat, denn ich sah die zukünftige Braut auf Fotos und befand sie sofort solidarisch für sympathisch. Ich wurde auch sehr aufmerksam und anständig behandelt, was nicht unerwähnt bleiben soll. Der Bräutigam trank während des gesamten Abends nur wenig, seine zwölf Freunde dafür umso mehr, so dass die Stripperin des Öfteren eine aufdringliche Hand abwehren musste. Einer der Jungs ließ sogar seine Hose herunter und wedelte mit seinem Schwanz, was im Gegröle der Männer jedoch keine weitere Beachtung fand. Als meine Bekannte ihren Job erledigt hatte, nahm uns der Bezahler der Runde – ein attraktiver Musiker, mit dem ich mich kurz unterhalten hatte – zur Seite. Er gab ihr das Geld und fragte mich, ob er meine Gesellschaft noch in Anspruch nehmen dürfe. Er würde sich für meine Unterstützung erkenntlich zeigen wollen mit einem noblen Hotelzimmer und einem Frühstück – für mich allein oder mit ihm. Ich entschied mich für Variante Nummer zwei, denn diesmal waren nur Gefühle im Spiel, die abwärts der Gürtellinie längst eingesetzt hatten. Außerdem sah er einfach zu appetitlich aus und erschien mir reizvoller als eine nächtliche Fahrt durch Berlin. Allerdings musste ich mich noch ein wenig gedulden. Mit einem Kaffee verfolgte ich die derben und anzüglichen Witze der Männer, die allesamt an den Bräutigam gerichtet waren, den aber nicht davon abhielten, zwischendurch mit seiner Zukünftigen liebevolle Telefonate zu führen. Ich will nicht schreiben, dass ich gelangweilt war, aber ohne das verheißungsvolle Ende wäre ich von diesem Junggesellenabschied enttäuscht gewesen, so erwartungsgemäß wie er war. Selbst die mitgebrachten Geschenke waren banal und bis auf einen Reisegutschein für das Brautpaar auch nicht wirklich verwertbar. Alles irgendwelcher Krimskrams aus Schulzeiten, der wohl zeigen sollte: Wir kennen uns schon lange und waren damals schon ganz dick. Wenigstens zeigte sich während eines Trinkspiels noch, wer alles bereits verheiratet war. Und siehe da, bis auf den Bräutigam und meinen Gönner nebst meiner Wenigkeit waren es alle.

Die restliche Nacht verbrachte ich dann durchaus zufriedenstellend und befriedigt in einem edlen Hotel ums Eck, erfuhr beim üppigen Zimmerfrühstück noch ein paar Details zur Hochzeit und wurde von dem Herrn meiner Nacht sogar als Begleitung eingeladen. Ich entschied mich jedoch dagegen, als ich merkte, dass es mir an tieferen Gefühlen fehlte, die sich bei meinem Gegenüber zwischenzeitlich offenbar entwickelt hatten. Mein Fazit zu Junggesellenabschied Nr.2: Er war ganz nett, befriedigend für mich allemal und ohne Konsequenzen für den Bräutigam. Ganz anders als Abschied Nr.3 …

 
 

Wie verwegen Junggesellenabschied Nummer 3 sich gestaltete, erfahren Sie in Séparée No.20.

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