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"Seine Sexualität gehörte ihr, und zwar ausschließlich, das hatte sie ihm gleich zu Anfang klar gemacht. Er hatte dabei weiche Knie bekommen und gewusst, dass es so sein würde." von Harry Hardt (Foto: Erika Lust)

Sie war ziemlich groß und fast schon zu schlank, hatte einen kleinen Busen und schmale Lippen, also eigentlich überhaupt nicht der Typ Frau, dem er sonst so nachschaute. Es war ihre Persönlichkeit, die ihn faszinierte und in seinen Bann zog: Nicht nur, dass sie wusste, was sie wollte, sie konnte es auch formulieren. Und fordern! Das war es, was er wollte: gefordert werden! Und sie forderte ihn, mit Worten und mit Taten: Er schaute auf und sah die Spitzen ihrer Haare, die sich unter dem Rock kräuselten, und spürte ihre Finger, die fest in seinen Schopf griffen, während sie noch etwas näher rückte, und er tief ihren betörenden Duft einsog.
Er war unglaublich geil, aber das war fast schon sein Grundzustand. Früher hatte er Sex und Erotik in epischer Breite und kontinuierlich konsumiert, mal mit Frauen, oft alleine, und seit den Zeiten des Internets hatte er einen erheblichen Teil seiner Lebenszeit dafür gelassen. Vorbei. Sie hatte ihn fokussiert. Auf sich und ihre Bedürfnisse. Und damit sein Bedürfnis erfüllt, ein Ziel zu haben, und für das, was er geben konnte, jemanden zu haben, der es wollte.
Seine Sexualität gehörte ihr, und zwar ausschließlich, das hatte sie ihm gleich zu Anfang klar gemacht. Er hatte dabei weiche Knie bekommen und gewusst, dass es so sein würde. Sie war der bestimmende Faktor seiner Lust, die sie vollständig in ihre gekleidet hatte. Sie bestimmte, wann, wo, wie und ob er durfte, und wenn sie wollte, dann musste er. Und genau das wollte er.
Im täglichen Leben war er ein Macher, ein charmanter Macho, dominant und gewohnt, dass sich sein Umfeld nach ihm ausrichtete, ganz von alleine, so wie eine Magnetnadel sich nach dem Magnetfeld der Erde ausrichtet, ohne dass es einer besonderen Ansage dieser Erde bedurft hätte. So war er es auch mit den Frauen gewohnt. Er musste nichts sagen, sie ergaben sich ihm von ganz alleine, und er war es gewohnt, mit ihnen zu spielen. Eine Zeit lang. Bis es mal wieder langweilig wurde.
Seit er sie kannte, kannte er keine Langeweile mehr. Er machte Dinge, die er vor ihr nie gemacht hätte, weil es ihm viel zu langweilig erschienen war. Er kochte, für sie, und manchmal gemeinsam mit ihr. Er ging mit ihr spazieren, manchmal stundenlang, und die Gespräche inspirierten ihn. Natürlich auch der Sex. Wenn sie auf einer Bank saßen, sie seinen Nacken kraulte, plötzlich fest in seine Haare fasste und seinen Kopf zu sich herunter zog, damit er ihre, und nur ihre, Bedürfnisse stillte, ihre akute Geilheit zum Höhepunkt steigerte, um danach mit schmutzigen Knien und nach Muschi duftenden Lippen neben ihr zurück zu gehen. Ihre Wangen waren dann meist gerötet, ihre „Fickbäckchen“, wie sie es nannte, und er spürte eine tiefe Zufriedenheit in sich, weil er wusste, es geht ihr richtig gut.
Auch heute hatte er für sie gekocht, und als sie später lesend auf dem Sofa lag, hatte er begonnen, ihre Füße zu massieren. Irgendwann schaute sie kurz auf, bat um einen Kaffee und vertiefte sich wieder in ihre Lektüre. Als er die Tasse neben sie auf den Tisch stellt, wies sie ihn ohne aufzusehen mit ihrer liebevollen Stimme, die in solchen Momenten einen fast polyphonen Klang hatte, an sich auszuziehen. Eine Stimme wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, aber er hatte auch schon erfahren, wie diese Stimme Erziehung buchstabierte, während er an einen Balken gefesselt vor ihr kniete, und sie jeden ihrer Wünsche hinsichtlich seines Verhaltens, die er laut und deutlich zu wiederholen hatte, mit einem knallenden Peitschenhieb in seinem Hirn manifestierte.
Und so kniete er auch jetzt vor ihr, den Kopf von ihrer Hand in den Nacken gedrückt, während ihre Haare seine Lippen und Nase kitzelten, er aber aus ihren Erziehungssitzungen gelernt hatte zu warten. Bis sie ihr Becken nach vorne schon, ihn an sich zog und sich zurück lehnte. Dann durfte er. Und er genoss es. Er liebte die weichen Härchen ihrer Beine an seinen Wangen, den unvergleichlichen Geschmack ihrer Lust auf seinen Lippen, das betörende Stöhnen ihrer Ekstase, und das Zittern ihrer Schenkel in dem kurzen Moment, in dem sie losließ und sich ihm vollständig ergab, bis sich ihr ganzer Körper spannte, und sie laut und vernehmlich den Gipfel erreichte….
Er ließ von ihr, weil er wusste, sie braucht danach Ruhe, küsste zärtlich ihren Bauchnabel, streichelte ihre zarte Haut, rutschte neben sie, zog vorsichtig eine Decke über ihren wunderschönen Körper, spürte diese fast schmerzhaft tiefe Liebe, als er in ihr vollkommen entspanntes Gesicht sah und begann sanft, sie zu kraulen.
Er wusste nicht, ob er auch noch durfte, aber darauf kam es gar nicht an, denn er war glücklich. Weil sie glücklich war.

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