Flexible Neigungen

Bisexualität ist häufiger, als bisher gedacht. Doch die Kultur prägt den Menschen, nur eine Seite auszuleben.

Helga S. ist anders. Zumindest etwas, wenn es nach gesellschaftlichen Normierungen geht. „Seit meiner Pubertät habe ich mich in Männer wie Frauen verliebt. Für mich waren beide Geschlechter gleichermaßen anziehend“, sagt sie. „Lange Zeit fühlte ich mich sexuell nirgendwo richtig zu Hause und passte nicht in den gesellschaftlich akzeptierten Rahmen. Durch das Gefühl der Außenseiterin baute sich ein innerer Leidensdruck auf. Zunächst versuchte ich rein heterosexuell zu leben. Später habe ich dann versucht, die gleichgeschlechtliche Liebe auszuprobieren“, erzählt Helga S.

 

Text: Heike Stüvel
Fotos: fotolia.com (Maik Dörfert, augustino)

So ein Coming-out stößt bei vielen Menschen auf Verständnis. Seit Schwul- und Lesbischsein akzeptiert wird, fehlt es gerade bei der jüngeren Generation nicht an Mut und Freude im Geschlechter-Wirrwarr mitzumischen und sich als sexuelle Grenzgänger zu outen. Immer mehr junge Leute meinen, dass ihnen ein allzu einfaches Modell der Sexualität vermittelt wurde, sich entweder in die Hetero- oder Homoschublade stecken zu lassen. Es gibt eine neue Lust am Experiment. Beste Freundinnen gestehen sich, dass sie Frauenkörper erotischer finden als unsportliche Männerfiguren. Männer, die bei einer Verabredung mit einer Frau von einer erotischen Erfahrung mit einem Mann berichten, wecken durchaus Interesse bei der Weiblichkeit. Alles ist möglich. An amerikanischen Hochschulen macht das Schlagwort „Fluidity“ die Runde: Damit sind fließende Übergänge im Sexualleben gemeint.

Nach dem Motto der 68er Bewegung: „Ein bisschen bi schadet nie“, leben Prominente wie Til Schweiger in dem Film „Der bewegte Mann“ oder David Beckham vor, dass nichts dabei sei, auch mal mit einem Kumpel zu kuscheln. Madonna zelebriert in ihren Videos sowohl Hetero- als auch Homo-Erotik. Sie hat in den vergangenen Jahren immer wieder Tabus gebrochen und damit Irritationen heraufbeschworen, die Bi-Sexualität nun einmal auslöst. Die Diva Marlene Dietrich, Sex-Ikone ihrer Zeit, wirkte gleichermaßen auf Männer wie Frauen bedrohlich und erotisierend. Auch Jürgen Domian von der Kult-Talkshow Domian des WDR bekennt sich öffentlich zu seinen bisexuellen Neigungen und verkörpert damit ein Rollenvorbild der heutigen Zeit als Variante sexueller Vielfalt akzeptiert wird.

Bisexuelle bekennen sich dennoch nicht gern öffentlich zu ihrer Sexualität. Das Versteckspiel und der Aufbau eines Lügengespinsts sind anstrengend und machen unglücklich. Eine Studie stellte 2010 fest: Bei bisexuellen Frauen ist die Selbstmordgefährdung 5,9 Mal, bei bisexuellen Männern 6,3 Mal höher als bei heterosexuellen. Diese Raten sind deutlich höher als bei Lesben und Schwulen.

Nur der gesellschaftliche Druck, glaubt Professor Erwin J. Haeberle, hindere viele Zivilisationsmenschen an der Entfaltung ihrer sexuellen Doppelnatur. „Wissenschaftlich gesehen macht die Einteilung in Homo-, Hetero- und Bisexuelle keinen Sinn“, so der Berliner Sexualwissenschaftler. Es gibt lesbische Mütter und schwule Väter. Wer gestern schwul war, kann sich morgen in die Frau seines Lebens verlieben. Die glücklich verheiratete Ehefrau kann auch noch in einem höheren Alter entdecken, wie reizvoll Frauen sein können, ohne dass sie die Männer kalt lassen müssen. Die meisten Bisexuellen sind verheiratet, haben Kinder oder leben in festen homo- oder heterosexuellen Beziehungen. Das bisexuelle Interesse ist bei einigen nur zeitweise vorhanden, etwa wenn sie sich „plötzlich“ in einen Angehörigen des „falschen“ Geschlechts verlieben. Andere Bisexuelle suchen ständig nach Partnern beiderlei Geschlechts, um ihr Sexleben zu bereichern.

Den vollständigen Artikel lesen Sie in Séparée No.2

 

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