Dass Wasserdampf eine heilende Wirkung hat, ist bekannt, aber dass man ihn auch im Intimbereich anwenden kann, ist fast in Vergessenheit geraten. Wir haben mit Hanna Krohn, Sexualtherapeutin und anerkannte Steaming-Expertin, über diese einfache Methode gesprochen und danach ein Dampfsitzbad ausprobiert.
Interview: Janina Gatzky
Fotos: FotoHelin/stock.adobe.com, Sonja Birkelbach/stock.adobe.com
Was genau ist Vaginal Steaming?
Hanna Krohn: Vaginal Steaming ist ein Dampfbad für den Intimbereich. Viele Menschen machen ein Dampfbad für die Atemwege, wenn sie erkältet sind oder um einer Erkältung vorzubeugen. Das Prinzip ist dasselbe, nur das Zielgebiet ist ein anderes. Und während das Dampfbad für die Atemwege mehr wegen seiner Wirkung als wegen des Wellnessfaktors geschätzt wird, empfinden die meisten Menschen ein Dampfbad für den Intimbereich als sehr angenehm und entspannend.
Ist das ein neuer Trend?
Vaginal Steaming ist eine Jahrhunderte alte Anwendung aus der Frauenheilkunde, deren Spuren auf allen Kontinenten zu finden sind. Es scheint eine Praxis zu sein, die sich unabhängig voneinander entwickelt und verbreitet hat, zu unterschiedlichen Zwecken und in unterschiedlichen Ausprägungen. In einigen wenigen Ländern ist Vaginal Steaming bis heute fester Bestandteil der Kultur, in Süd-Korea wird es sogar in Krankenhäusern praktiziert. In den USA erlebt Vaginal Steaming seit ein paar Jahren einen starken Aufschwung. Das hat damit zu tun, dass Frauen im Zuge des körperorientierten Feminismus einen anderen Zugang zu ihrem Intimbereich und mehr Selbstbestimmung, Respekt und Fürsorge in Bezug auf dessen Gesundheit anstreben. Großen Anteil daran hat auch die Afroamerikanerin Keli Garza, die unter dem Namen „Steamy Chick“ systematisch altes und neues Wissen zusammengetragen und mit Kräutermischungen und Behandlungsplänen praktisch anwendbar gemacht hat. Seit ein paar Jahren bildet sie Frauen auf der ganzen Welt in ihrer Methodik aus.
Warum ist diese Praktik verschwunden?
Auch dazu hat Keli Garza geforscht und herausgefunden, dass das Kräuterdampfsitzbad (so wie andere Anwendungen aus der Frauenheilkunde) in den westlichen Industrieländern nach und nach von der modernen Medizin und Forschung (zu der Frauen lange keinen Zugang hatten) verdrängt wurde. Es galt als fortschrittlich, Medikamente zu verordnen und zu operieren. Das alte Frauenwissen wurden als Aberglaube und „Weiberkram“ abgetan. Auch Kolonialismus und Rassismus trugen dazu bei, dass Vaginal Steaming als rückständig und potenziell schädlich betrachtet wurde und aus der Kultur und Sprache weitgehend verschwunden ist. Die Überzeugung, dass alles, was „weiß“, „westlich“ und männlich ist, allem anderen überlegen ist, wurde zunächst mit Macht und Gewalt durchgesetzt, dann durch „Entwicklung“ und Globalisierung. Inzwischen wird diese Annahme kaum noch infrage gestellt. Es ist kaum zu glauben, aber es wurden noch nie Forschungsgelder dafür ausgegeben, um zu untersuchen, worin der Nutzen von Vaginal Steaming oder ähnlichen Praktiken liegen könnte. Aber es wurde mehrfach, auch von der WHO, versucht nachzuweisen, dass sie zur Ausbreitung von Viruserkrankungen wie HIV beitragen würden – allerdings ohne Erfolg.
Ich habe bei meinen Schwangerschaften jeweils kurz vor der Geburt ein Heublumendampfsitzbad gemacht, um das Gewebe zu lockern. Mein Partner fand das sehr befremdlich. Aber ich schwöre drauf, denn es scheint geholfen zu haben. Wofür ist das Steaming noch sinnvoll?
Toll, dass es dir zur Geburtsvorbereitung geholfen hat. Ich habe das auf Anraten meiner Hebamme vor der Geburt meines dritten Kindes auch gemacht, lange bevor ich den Begriff „Vaginal Steaming“ das erste Mal gehört habe und auch bei mir hat es geholfen, das Gewebe am Damm zu lockern. In Tschechien bieten seit kurzem sogar einige Geburtskliniken Vaginal Steaming an.
Wenn wir uns vor Augen führen, was Wasserdampf alles kann, wofür er sonst verwendet wird und wie eine Dampfsauna oder ein Dampfbad für die Atemwege wirken, wird klar, dass das Steaming auf vielfältige Weise Sinn macht: Warmer Wasserdampf steigert die Durchblutung, befeuchtet das Gewebe, macht es weich, öffnet die Poren und entspannt die Muskulatur sowie die Bänder, die die inneren Organe an ihrem Platz halten. Der Dampf wirkt zunächst direkt auf die Vulva und den Beckenboden, seine Wirkung erstreckt sich dann aber auch weiter in die Tiefe und erreicht über die Vagina den Muttermund, die Gebärmutter, die Eierstöcke und den ganzen Unterbauch.
Frauen aller Kulturen haben diese Dampfbäder auch nach der Geburt eines Kindes gemacht, um sich zur regenerieren und die Rückbildung zu fördern. Aus denselben Gründen sind sie auch nach einer Fehlgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch sinnvoll. Vaginal Steaming ist aber auch eine gute Möglichkeit, die Übergänge im Leben einer Frau harmonisch zu gestalten, also die Menarche und die Menopause. Es ist eine niederschwellige Möglichkeit für Frauen, mit sich in Kontakt zu kommen, weil man sich dazu nicht anfassen muss, was für manche ein Problem ist.
Wunder, insbesondere bei schwereren Erkrankungen, sollten wir natürlich nicht erwarten und bei tiefliegenden, lange bestehenden Ungleichgewichten ist ein ganzheitlicher Ansatz wichtig, der Lebensgewohnheiten und Ernährung mit einbezieht, manchmal auch Massagen, Akupunktur oder therapeutische Unterstützung, um die gewünschte Veränderung zu erreichen.
Kann Vaginal Steaming auch bei einem gelockerten Beckenboden helfen oder ist das eher kontraproduktiv? Und was, wenn der Beckenboden sehr fest ist?
Das Dampfbad hilft dem Körper, ins Gleichgewicht zurück zu finden und das heißt, dass dadurch auch die Beckenbodenmuskulatur ihre Elastizität zurückbekommen kann. Damit der Beckenboden wieder die richtige Spannung aufbauen kann, müssen oft erst Verspannungen gelöst werden. Vaginal Steaming ist also in jedem Fall sinnvoll, aber nicht immer ausreichend.
Wie betrachtet die Schulmedizin das Vaginal Steaming?
Vaginal Steaming ist in Deutschland (abgesehen von der Geburtsvorbereitung) noch kaum bekannt. Anerkannt ist es natürlich auch nicht, genau wie viele andere naturheilkundliche Anwendungen. In den USA gibt es Frauenärztinnen, die es sogar in ihrer Praxis anbieten, die also eine Steaming-Station eingerichtet und eine ausgebildete Fachkraft dafür eingestellt haben. Es gibt dort aber auch eine bekannte Gynäkologin, die davor warnt, mit der Begründung, Frauen könnten sich dabei verbrühen. Das Argument finde ich absurd, denn schließlich bewältigen wir auch viele andere Alltagstätigkeiten, wie Teekochen und Hände waschen, die dieses Risiko bergen.
Was muss man beachten, wenn man zuhause ein Dampfbad macht?
Wichtig ist zum einen, die Kontraindikationen zu beachten und dann auf die Signale des Körpers zu achten. Das Dampfbad sollte angenehm sein. Es hat zum Beispiel keine Vorteile, es so heiß zu machen, dass es unangenehm oder gar schmerzhaft ist oder es möglichst lange auszuhalten. Es soll sich anfühlen wie ein warmes Bad oder ein entspannender Saunagang. Für manche Frauen sind schon zehn Minuten zu lang und andere könnten den Dampf ewig genießen. Wir sind unterschiedlich und unsere Körper sind es auch. Man sollte darauf achten, dass man ausreichend trinkt und sich hinterher ausruhst. Also alles ganz ähnlich wie bei der Sauna. Wenn du es gut verträgst, kannst du es so oft machen, wie du möchtest.
Bei Problemen rund um den Zyklus ist es günstig, es entweder einmal wöchentlich (z.B. immer sonntags) zu machen, also in jeder der vier Phasen deines Zyklus, oder jeweils drei Tage vor und drei Tage nach deiner Blutung.
Kann das Steaming auch für die Erotik sinnvoll sein?
So habe ich Vaginal Steaming entdeckt. Im Hauptberuf bin ich Sexualtherapeutin und manche Frauen haben aus verschiedenen Gründen einen so angespannten Beckenboden, dass sie beim Sex wenig spüren oder sogar Schmerzen haben. Bei der Beratung fiel mir irgendwann das Dampfbad ein, dass ich selber zur Vorbereitung auf die Geburt gemacht hatte und bei der Internet-Recherche bin ich dann auf den Begriff „Vaginal Steaming“ gestoßen.
Das Dampfbad trägt also dazu bei, dass der Beckenboden entspannt und gut durchblutet wird und das wiederum begünstigt das Lusterleben und die Lubrikation, also das Feuchtwerden der Vagina. Manche Frauen nutzen diese Effekte, indem sie direkt vor dem Sex ein Steaming machen und manche fühlen sich davon auch unmittelbar sexuell erregt.
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