Trockensex

Unsere Kolumnistin hat sich wagemutig in einen Tantra-Workshop begeben. Ihre erstaunlichen Erlebnisse dort hat sie für uns aufgeschrieben.

Scheu, verlegen, verspannt? Seit unsere Autorin beim Tantrakurs war, schleichen die Kerle um sie herum und nehmen Witterung auf. In den Wochen des Kurses weinte sie viel, lernte nach jemandem zu treten und ließ sich in der Männerdusche einseifen. Tantratraining verspricht ganz offenbar eine Menge seltsamer bis wunderbarer Erlebnisse.

 

Text: Beate Kruse
Fotos: Fotolia.com – vladimirfloyd

Ich war niedergeschlagen, seit ich denken konnte. Meine Kindheit brachte ich mit »Schlager Süßtafeln« und Büchern rum, Abitur und Studium überstand ich mit Koffeintabletten, und dann hielten mich ein netter Job und Weißwein am Laufen. Sex ist immer mein einziger Lichtblick gewesen, aber irgendwann war ich selbst dafür zu matt, und spätestens jetzt musste etwas passieren. Am liebsten hätte ich ja mein defektes Leben bei irgendwem abgegeben und nach einer Woche repariert wieder abgeholt. Aber das bietet keiner an. Ich werde mich also entweder auf die Analysecouch legen müssen, oder ich ziehe mich aus, stelle ich nach einer umfassenden Recherche fest und entscheide mich fürs Ausziehen. Tantra, heißt es, wird mir das Leben retten, aber muss ich deswegen gleich rundum eingeölt und von dreien gleichzeitig bestiegen werden, wie manche Websites nahelegen? Zur Sicherheit entscheide ich mich für eine Probestunde bei der Tantra-Lehrerin, deren Website am nüchternsten von allen ist.

Die Frau, die mir öffnet, sieht dann auch aus wie meine Chemielehrerin aus der zehnten Klasse: streng, unbedingt seriös, groß, blond und schön. Nach einem Vorgespräch hocken wir nebeneinander in einer extrem unbequemen Position (Füße hüftbreit und ganz auf dem Boden, Arme unter den Knien durch, Hände außen neben die Füße), schauen, atmen und schreien minutenlang unser Geschlecht an. Erst komme ich mir total blöd vor. Affe aufm Schleifstein. Schreien ist auch irgendwie nicht so mein Ding. Aber wenn die Lehrerin das macht, mache ich einfach mit, und dann habe ich tatsächlich das Gefühl, als würde ich ein riesiges Didgeridoo an mein Geschlecht halten und in voller Lautstärke hineintröten. Vibriert wie besserer Sex – auch wenn ich hinterher Probleme hab, meinen Körper wieder auseinanderzufalten. Ich vibriere noch ein bisschen weiter und buche solcherart elektrisiert die Tantra-Jahresgruppe bei der Blonden. Ein großer, fast vollständig verspiegelter Raum mit Kuschelteppich. Am Anfang stehe ich schüchtern in der Ecke und gucke mir an, was so geht, und nur wenn der Gong zur nächsten Übung ertönt, bewege ich mich notgedrungen auf die anderen zu. Dabei sind die eigentl ich nett. Viele um die vierzig. Die Frauen oft lebendig, sexy und kraftvoll. Eine in knallroten Pluderhosen, eine hübsche Pummelige, eine Fee. Die Männer wirken zerquält – die meisten haben aus Selbstfindungsgründen eine Karriere aufgegeben – und sind in der Regel nicht eingeweiht in die Toilettengeheimnisse des metrosexuellen Mannes. Sie tragen kein Parfum, aber bollerige Trainingsanzüge und darunter, wie ich schneller, als mir lieb ist, erfahren werde, an gegraute Feinrippunterwäsche mit Airbag am Arsch. Ich finde schon das Tanzen am Anfang jeder Session schwierig – stakse rum wie der Storch im Salat und bete zu dem hüfthohen Holzpenis in der Ecke, dass keiner mich antanzt. Mir war nicht klar, dass ich so verklemmt bin …

Wie der Tantra-Workshop weiterging und was er bewirkte, lesen Sie in Séparée No.7.

 

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