Text: Stefanie Rinke / Foto: Schäferle_Pixabay
Eine Erkundungsreise zum ozeanischen Fühlen
Mit zwei Fingern taste ich mich vorsichtig an der oberen zum Bauch hin liegenden vaginalen Wand vor und stoße hinter der G-Fläche auf ein knorpeliges Gewebe, das sich von der Festigkeit her ein bisschen so anfühlt, als würde ich auf meine Nase drücken. Das Gewebe hat ungefähr die Form eines Rings, ist recht glatt, hat einen Durchmesser von zirka ein bis zwei Zentimetern und in der Mitte eine kleine Mulde. Es ist mein Muttermund. Ich umkreise ihn langsam mit beiden Fingerspitzen und bemühe mich dies sanft und vorsichtig zu tun, denn zu selten habe ich mich bisher selbst hier berührt. Dann drücke ich an den Rand dieses ringförmigen Gebildes, und mein gesamter Uterus schwingt leicht im Bauchraum hin und her.
Ich spüre zunächst nicht viel. Weder errege ich durch meine Berührungen die Haut des Muttermundes, noch durchläuft durch den Druck auf den Uterus ein lustvoller Schauer meinen Unterleib. Vielmehr fühle ich höchstens ein entferntes, sehr leichtes Prickeln oder die Ahnung einer kleinen Welle. Meine Atmung wird ruhiger, ja, und ich entspanne mich. Das fühlt sich angenehm und sehr gut an. Aber sonst passiert eigentlich nicht so viel. Anscheinend ist auch bei mir der Muttermund und der Rest der Zervix, wie ich schon oft gelesen habe, eher unempfindlich, vielleicht fast sogar etwas taub. Ich merke, dass ich erst allmählich nach weiterem Streicheln und sanftem Stupsen etwas mehr Zugang – zum Beispiel durch die Assoziation an einen Delphinschnabel, der aus dem Wasser schaut – zu diesem bisher von mir wenig beachteten sexuellen Organ bekomme.
Zervikale Orgasmen
Ja richtig, Sex war der Anlass, warum ich mich überhaupt mit meinen Fingern auf die Erkundungsreise zu meiner Zervix begeben habe. Denn seit einiger Zeit erreiche ich beim Liebesakt regelmäßig zervikal ausgelöste orgastische Zustände, die mich in eine bisher nicht gekannte Weite tragen, mich tief mit mir selbst und meinen Herzkräften verbinden, mir halluzinogene Bilder schenken. Wenn der Lichtstab – so heißt er im Tantra – meines Liebhabers an den Muttermund und von der Seite durch die vaginale Haut hindurch am unteren Stück der Zervix entlang reibt und hier sanft bis heftig stößt, dann kann dies zwar etwas schmerzhaft sein, doch lohnt es sich, denn tiefe Entspannung stellt sich dadurch ein. Ich habe dann ein Gefühl von Zeit- und Ichlosigkeit, von Ekstase, wobei diese durch eine kosmische Öffnung in die allumfassende Liebe hinein begleitet wird.
Durch die zervikale Stimulation aktiviert sich etwas in mir, das mich so entspannen lässt, dass diese Liebe förmlich in mich hineinströmen kann, so dass ich mich oft noch eine Stunde oder mehr nach dem Sex high fühle, als wäre ich betrunken, berauscht, chemisch auf anderen Substanzen unterwegs gewesen. Die Zervix und besonders der Muttermund sind anscheinend sehr potente Sexorgane. Und es ist bemerkenswert, dass ich sie bisher in meinem Sexleben noch viel zu wenig als sexuelles Organ wahrgenommen und wertgeschätzt habe. Sicherlich bedarf es der Übung und eines bewussten Umgangs, um die Zervix überhaupt in das Liebesspiel zu integrieren. Zudem ist im öffentlichen Diskurs viel zu wenig über die Zervix und ihre ekstatische Potenz bekannt, als dass es jeder und jedem einfallen würde, sie bewusst zu integrieren – ein triftiger Anlass näher nachzuforschen.
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