Text: Ute Gliwa
Fotos: Erika Lust Films, PR
Closer
Aus unerfindlichen Gründen zählt dieser Film nicht zu denen, die ins kollektive Bewusstsein des Publikums eingegangen sind. „Hautnah“ (im Original: Closer) ist die großartige Verfilmung eines Theaterstücks von Patrick Marber. Es ist die Geschichte vierer Figuren, deren Leben zufällig miteinander verwoben ist. Und mehr als diese vier Personen – verkörpert von einer traumhaften Besetzung – braucht der Film nicht. Er besteht aus sehr eindringlichen und intensiven Szenen, in denen sich immer nur zwei der Protagonisten gegenüberstehen. Obwohl „Hautnah“ ohne Sexszenen auskommt, ist der Streifen zum Bersten mit Erotik geladen. Die Erotik liegt in den Blicken, in kurzen Momenten der Begegnung, in den potentiellen Möglichkeiten, in der Fantasie und im Sehnen der Figuren. Sie liegt in jedem Lächeln, in jedem Augenaufschlag und jeder Bewegung. Der Sex – und was für welcher – passiert dabei ganz automatisch im Kopf des Betrachters.
Die Handlung umspannt vier Jahre. Die einzelnen Szenen liegen oft Monate auseinander. Zunächst begegnen sich Dan und Alice, die ein Paar werden, ein Jahr später betritt Anna das Geschehen und wenig später Larry, mit dem sie eine Beziehung beginnt. Jedes einzelne Kennenlernen, das Knistern zwischen den Liebenden, ist meisterhaft inszeniert. Die Dialoge sind schnell und clever und kommen trotzdem der Realität sehr nahe. Dann wird es komplex, denn Dan liebt auch Anna und die ist hin- und hergerissen zwischen beiden Männern. Wer kann es ihr verdenken: Hätte ich die Wahl zwischen Clive Owen und Jude Law, ich geräte wohl auch in Schwierigkeiten.
Closer (USA/UK 2004), Regie Mike Nichols, mit Natalie Portman, Jude Law, Julia Roberts und Clive Owen
Secretary
Als Christian Grey noch feuchte Träume hatte, gab es diesen hier schon: Edward Grey, von dem Junior sich noch die eine oder andere Scheibe abschneiden könnte.
„Secretary“ ist einer der Filme, die man zwei- oder dreimal oder öfter anschauen kann und der bei jedem Mal noch etwas dazugewinnt. Der Film spielt mit dem Klischee der unterwürfigen Sekretärin, aber auf so charmante Weise, dass man als aufgeschlossener Zuschauer großen Spaß dabei hat. Lee, die gerade wegen ihrer Autoaggressionen in stationärer Behandlung war, tritt bei dem etwas merkwürdigen und auf sonderbare Weise exzentrischen Anwalt Mr. Grey als Schreibkraft in den Dienst. Es fällt schwer, ihn einzuschätzen und zu durchschauen, aber er übt nicht nur auf den Zuschauer, sondern auch auf Lee eine große Faszination aus. Diese jedenfalls blüht bei ihrer neuen Aufgabe vom schüchternen, unsicheren Mädchen im Laufe des Films zur selbstsicheren Frau und Verführerin auf. Das Ritzen hat Lee bald nicht mehr nötig, denn Mr. Grey verschafft ihr auf seine Weise einen viel befriedigenderen Ersatz: Lee ist zwar eine schnelle, aber keine perfekte Schreibkraft, und für die bösen Tippfehler gibt es vom Chef sehr eindringlich und liebevoll was auf den Hintern. Dass Lee Briefe zwischen den Zähnen haltend auf allen Vieren krabbelnd über den Flur trägt, steigert die Produktivität der Arbeit in der Kanzlei sicher nicht, aber Lee und Mr. Grey macht es offensichtlich Freude, und die beiden Schauspieler sind in ihren Rollen einfach großartig. Es ist eine ungewöhnliche und nicht ganz einfache, aber schön zu beobachtende Liebesgeschichte, die weit über Arbeitszeit und Büro hinaus geht.
Secretary (USA 2002), Regie: Steven Shainberg, mit Maggie Gyllenhaal und James Spader
Adore
Der Film ist ein Augenschmaus, der die Sehnsucht weckt, allein schon die Kulisse! Die schicken Häuser am Meer, der Strand, das knallblaue Wasser. Und dann die Protagonistinnen Lil (Naomi Watts) und Roz (Robin Wright), zwei wunderschöne Frauen, die im Übrigen ein großartiges Spiel darbieten. Sie sind beste Freundinnen seit Kindertagen. Inzwischen haben beide je einen gerade erwachsenen Sohn und die sind ihnen äußerst gut geraten. Man spürt die tiefe Verbundenheit zwischen den vier Charakteren in jeder Szene. So verwundert es kaum, dass einer der jungen Männer der Mutter seines Freundes seines Tages Avancen macht, die sie nicht ablehnt. Die anderen beiden, nur im ersten Moment bestürzt, nehmen sich sehr schnell schon ein Beispiel an den beiden anderen. Man erwartet hier den zentralen Konflikt, aber die beiden Frauen, deren Freundschaft wirklich eng ist, gestehen einander offen ein, dass sie nie glücklicher waren und es eigentlich keinen Grund gibt, aufzuhören. Doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die jungen Männer der zwar sehr schönen, doch zwanzig Jahre älteren Frauen überdrüssig werden oder eine gleichaltrige Frau für eine eigene Familie finden. Oder doch nicht? Der Film, übrigens auch als „Perfect Mothers“ und auf Deutsch als „Tage am Strand“ bekannt, bleibt bis zum Schluss spannend und knisternd. Übrigens basiert die Geschichte auf einem Roman von Doris Lessing.
Adore (Frankreich, Australien 2013), Regie: Anne Fontaine, mit Naomi Watts und Robin Wright