Text: Sabrina Gundert
Illustration: Alfons Mucha
Sinnlichkeit. Wenn ich dieses Thema nur schon hörte, zog sich alles in mir zusammen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich einen Zugang dazu bekommen sollte, geschweige denn, wie ich meine Sinnlichkeit leben konnte. Hieß das, möglichst frei, offen und nackt rumzulaufen? Ständig zu stöhnen oder mich mit möglichst vielen Düften und Schmuck zu umgeben? Ich wusste es nicht. Und jedes Jahr, wenn das Jahreskreisfest Beltane, die Nacht vom 30. April auf den 01. Mai wieder gefeiert wurde, merkte ich, wie herausfordernd die Sinnlichkeit für mich war.
Jahreskreis: Zwischen Hoch- und Tiefpunkt
Die Jahreskreisfeste sind acht Feste im Jahr, die sich an der Natur und den vier Jahreszeiten mit Frühling, Sommer, Herbst und Winter orientieren. Im Winter wird die Wintersonnenwende gefeiert – der Tag, wo die Nacht am längsten und der Tag am kürzesten ist, der 21. Dezember. Ihr gegenüber liegt die Sommersonnenwende – der Hochpunkt des Lichts, der 21. Juni. Stellen wir uns das Ganze in einem Rad vor, können wir uns die Sommersonnenwende ganz oben, am Hochpunkt vorstellen, die Wintersonnenwende ganz unten, am tiefsten Punkt. Es sind die beiden Extreme, um die wir auch immer wieder im Leben kreisen: Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Oder auch: Frisch verliebt, voller Tatendrang und Schwung. Und am Boden zerstört, nach einer Trennung, einem Todesfall, einer großen Veränderung und einem Verlust im Leben.
Zurück zum Zyklischen
Dazwischen, und das von der Natur zu sehen, gibt mir oft selbst Mut für mein eigenes Leben, liegen die beiden Balancepunkte. Tag und Nacht sind gleich lang an der Frühjahrs- und Herbst-Tag-und-Nachtgleiche, die meist um den 21. März und 23. September liegen. Wie wohltuend zu sehen – auch in der Natur gibt es nur zwei Punkte im Jahr, wo wirklich alles im Gleichgewicht ist. Wie oft versuchen wir, stets ausgeglichen, ruhig und entspannt zu sein, besonders wir Frauen. Und wie sehr erleichtert es zu sehen, dass wir voller Tatendrang und Kraft und dann auch wieder still und ruhig sein dürfen, wild und ausgelassen, um uns dann wieder ganz in uns selbst zurückzuziehen. Mich ermutigt das sehr, mit dem Zyklischen meines Lebens zu gehen und auszusteigen aus dem Versuch, immer zu jeder Zeit gleich und linear zu funktionieren.
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