Dr. Frank Schneider-Affeld, Gynäkologe und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für ästhetische und rekonstruktive Intimchirurgie, über die Subjektivität von Schönheit, Optimierungswünsche, Toleranz und glückliche Frauen.
Interview: Janina Gatzky
Fotos: Sentello – Fotolia.com, Achim Banck
Séparée: Herr Dr. Schneider-Affeld, beginnen wir mit einer persönlichen Frage:Was fasziniert Sie als Mann am Fach Gynäkologie? Und wie sind Sie zur Intimchirurgie gekommen?
Dr. Schneider-Affeld: Wissen Sie, wenn die Mutter Psychiaterin war und der Vater Chirurg und ich den gesamtenTag von Medizinumgeben war, ich dann nach dem Studium in eine Umgebung kam, in der ich mich wohlfühlte, in der nette Menschen waren und ich dann letztlich eine Weiterbildungsstätte im Olymp der Gynäkologie bekam, nämlich bei Prof Kubli in Heidelberg, dann ist der Weg vorgezeichnet. Und wenn man erst einmal in einer gewissen Position ist, dann wechselt man im Alter von 32 Jahren auch nicht mehrden Beruf und wird Jurist.
War die Gynäkologie eher ein Zufall?
Nein, sicher nicht. Das Schöne an dieser Fachrichtung ist die Überschaubarkeit. Krankheitund Gesundheit in einem (ich meine da die Geburtshilfe), alt und jung. In der Inneren Medizin zum Beispiel muss man sich viel eher spezialisieren. Die Intimchirurgie hat sich dann irgendwann als eine von vielen Zielrichtungen ergeben. Sie ist ja noch ein sehr junges Gebiet und sehr entwicklungsfähig.
Nach Aussagen Ihres Kollegen Dr. Krapohl liegt bei einem Viertel der Patientinnen eine medizinische Indikation für eine Intimoperation vor, während sich Dreiviertel aus ästhetischen Gründen operieren lassen, provokativ gesagt, die Körperoptimierer. Ist das ein neuer Trend und woher kommt er?
Die Intimchirurgie beinhaltet viel mehr als die Chirurgie der Labien. Aber lassen Sie uns zunächst bei der Veränderung des sichtbaren äußeren Genitals bleiben, denn darauf zielt Ihre Frage ja ab: Körperliche Probleme kann es z. B. bei Sportlerinnen geben, die engeKleidung tragen, bei Reiterinnen, beim Fahrradfahren, beim Geschlechtsverkehr. Häufig auftretende Infektionen von Scheide und/oder Blase können ihre Ursache in einer mangelhaften Schutzfunktion haben. Die Labien sollen ja Infekte verhindern und nicht fördern. Diese Probleme können sich nun durchaus mit ästhetischen Vorstellungen verbinden. Natürlich unterliegen wir alle auch Trends.Während ich in Anzug und Krawatte vor Ihnen sitze, unterscheidet sich meine Kleidung vom van Dyckschen Stehkragen, der im Barock getragen wurde. Auch unsere Hygiene und die Sexualästhetik haben sich geändert. Goethe, zum Beispiel, soll einen Boten nach Hause geschickt haben, um der Liebsten auszurichten: Wasche dich nicht, bin in zwei Tagen da! Das Animalische gehörte damals dazu. Die größte Veränderung ist in dieser Hinsicht in der Enthaarung zus ehen. Dinge wurden jetzt sichtbar, die bisher verborgen waren. Auch die Erotisierung und Pornografisierung der Medien mag unsere ästhetischen Vorstellungen beeinflusst haben.
Woher kommt unser Bild von Schönheit im Intimbereich? Man hat ja oft nicht den Vergleich.
Das weiß ich auch nicht. Eine Analyse der Ursachen ist mir nicht bekannt. Die Evolution probiert alles aus, groß – klein, lang– kurz. Das funktionell Bessere bleibt bestehen. Vielleicht ist das „Schöne“ etwas, das im Mittelfeld liegt.
Haben Sie schon Patientinnen von einer OP abgeraten?
Ja, durchaus. Ich gebe aber zu, dass dies ein subjektiver Rat ist. Gerne möchte ich das, was die Patientin „stört“, nachvollziehen können. Es gibt eine Störung, die wir als Körperdysmorphie bezeichnen. Hierbei weicht die subjektive Sicht der Patientin von meiner (versuchsweise) objektiven ärztlichen Sicht erheblich ab. In einer solchen Situation verzichte ich auf eine Operation.
Ich würde gern die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang beleuchten. Nach Vorgaben des Jugendschutzes dürfen beispielsweise die inneren Schamlippen im Bild nicht gezeigt werden. Das zählt schon als Pornografie. Deshalb wird gern mal der Photoshop-Rotstift angesetzt. Damit kreieren wir ein Bild, das letztlich nicht der Realität entspricht und es Frauen schwer macht, sich im Intimbereich als normal zu empfinden.
Mir ist diese Photoshop–Theorie durchaus bekannt. Ich vermute, dass diese am Schreibtisch entstanden ist und nicht auf Untersuchungen basiert. Schauen Sie sich doch einmal beliebige Zeitschriften bei Orion oder Beate Uhse an. Sie werden dort alle Varianten vorfinden, die das tägliche Leben bietet. Inwieweit z.B. der „Playboy“ Bilder bearbeitet, um über dem Ladentisch verkäuflich zu bleiben, ist mir nicht bekannt.
Ich bleibe dabei. Ich finde es nach wie vor nicht einfach, mir als Frau ein objektives Bild von der Vielfalt der Vulven zu machen. Medial ist das ein ganz schwieriges Thema. Meiner Meinung nach wird uns ein Schönheitsbild untergejubelt, dem wir versuchen zu entsprechen.
Das will ich nicht ausschließen. Aber wir sind ja erwachsen und können selbst entscheiden, inwieweit und wo wir unseren Körper in ein besseres Licht rücken wollen. Die Douglas-Kundin mit der Douglas Card gibt ca. 38,00 Euro pro Monat aus, um diesem Ziel näher zu kommen. Mein persönlicher Gang ins Fitness-Studio bereitet mir nicht unbedingt immer Freude, aberich möchte angezogen wie ausgezogen anständig aussehen. Das tue ich für meine eigene Zufriedenheit und ausschließlich dafür.
Auf Ihrer Webseite schreiben Sie: „So kann ein nicht dem eigenen Idealbild entsprechender, also subjektiv als weniger ästhetisch empfundener Schambereich zu mitunter großen psychischen Belastungen führen. Aus Scham vermeiden viele Frauen, sich anderen nackt zu zeigen. Dies kann bis hin zum völligen Verzicht auf Intimkontakt gehen.“ Hilft in solchen Fällen ein operativer Eingriff wirklich? Geht es nicht vielmehr um ein positives Selbstbild und Selbstwertgefühl?“
Wo wir die Grenze setzen, ist sehr individuell. Ein Maß der Dinge gibt es nicht. Einer Fraumit großen hängenden Brüsten ist wenig mit dem Hinweis gedient: „So sehen doch vieleFrauen aus!“ Sie persönlich findet das nicht schön, und sie hat das guteRecht, so zu empfinden. Wir sollten ihre Gefühle ernst nehmen und eine Hilfe anbieten, die ihrem persönlichen Problem gerecht wird. Bei einer Frau mit Anorrhexia nervosa (= einekörperdysmorphe Störung) führt eine Psychotherapie zum Ziel und nicht eine Operation. Auch ein gering ausgeprägtes Selbstwertgefühl lässt sich durch eine Operation selten beheben. Da es, wie sagt, das Maß der Dinge nicht gibt, hilft das Zauberwort „Toleranz“ oftmals weiter.Wir sollten akzeptieren, dass die Menschen keineswegs gleich fühlen oder denken und unsere eigene Sichtweise auch einmal in Frage stellen. In Bezug auf unsere Operationen würde das heißen: „Ich, für mich, brauche es nicht, aber wenn Du darunter leidest, kannst Du eine Operation machen lassen.“
Entstehen nach der ersten OP oft noch weitere „Optimierungswünsche“?
Es geschieht ganz selten, dass jemand zwei- oder dreimal kommt. Diese Personengruppe liegt im niedrigen einstelligen Bereich. Aber es gibt sie.
Wenn ich Sie richtig verstehe, muss über das Thema Intimästhetik öffentlich mehr geredet werden, so wie man beispielsweise über das Anlegen der Ohren spricht? Ist das peinliche Schweigen der Prüderie unserer Gesellschaft geschuldet?
Ja, ich glaube, es hängt durchaus damit zusammen. Aber sehen Sie:Ohren werden angelegt, obwohl Menschen mit abstehenden Ohren besser hören. Oder die Adlernase: Auch ich würde beim HNO-Arzt vorstellig werden mit der Frage,ob er meine Nase nicht verschönern könnte. Der Intimbereich ist sehr tabubelastet. Wir reden keineswegs offen darüber. Nehmen wir den Beckenboden, mein Spezialgebiet. Der Beckenboden besteht bekanntlich aus drei Stationen: Blase, Scheide und Darm. Bei der Blase sind wir inzwischen aus der Peinlichkeitszone heraus. Wenn eine Frau aus Sicherheitsgründen Vorlagen tragen muss oder in Schrecksituationen eine nasse Hose hat, kann sie inzwischen auch darüber reden. Aber die Sexualität – das ist peinlich. Und noch schlimmer wird es beim Darm. Es erzählt Ihnen doch niemand, dass er gelegentlich unfreiwillig Luft verliert. Allen ist es peinlich und niemand redet darüber. Und wir können ja durchaus helfen. Es muss nur mehr darüber gesprochen werden.
Das vollständige Interview sowie Infos zur neuen non-ivasiven Methode zur Straffung des Intimbereiches ThermiVA lesen Sie in Séparée No.9.
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