Text: Séparée
Neulich hatte ich ein echtes Aha-Erlebnis. Ich meine so einen Moment, wenn einen plötzlich und unverhofft die Gewissheit überkommt, ein kleines Stück Welt verstanden zu haben. Eigentlich begann alles damit, dass ich versuchte, meinen Schreibtisch umzubauen. Manchmal überkommt einen ja das Bedürfnis nach Veränderung, aber dann fehlt der Mut für den radikalen Schlag (alten Job kündigen, triste Beziehung beenden) und man sucht stattdessen Ersatzbefriedigung, zum Beispiel durch Umstellen von Möbeln. So richtig glücke mir der Umbau nicht. Was ich mir vorgenommen hatte, war schließlich doch kein saisonaler Kissenbezugwechsel, wie sich unter dem Tisch kauernd bald feststellen musste. Ich brauchte Werkzeug. Ein normaler Schraubenzieher reichte nicht. Mein Schreibtisch forderte „heavy duty“. Zumindest aber mehr Muskelkraft, als ich aufzubringen vermochte. Also tat ich, was viele Frauen in solchen Situationen immer noch notgedrungen tun: Sie rufen nach einem Mann, der es richten soll. Mein Mann – der Mann, mit dem ich seit geraumer Zeit Tisch und Bett teile – war anderweitig beschäftigt. Er half einer plötzlich alleinerziehenden Mutter aus dem Freundeskreis beim Aufbau einer schwedischen Selbstmontageküche. Das konnte dauern. Also klopfte ich beim Nachbarn. Er willigte enthusiastisch ein. Hätte mir das zu denken geben sollen oder wollte er schlichtweg hilfsbereit, dankbar und zuvorkommend sein? Schließlich waren seine mickrigen Topfpflanzen dank meiner Zuwendung in seiner Abwesenheit zu wahren Prachtexemplaren gediehen. Wenige Minuten später stand er im Blaumann in der Tür. In der Hand seinen Werkzeugkoffer. Ein praktisches Modell aus strapazierfähigem Material mit unzähligen Taschen, Laschen und Schlaufen sowie einem Klettverschluss, um die zusammengerollte Werkzeugtasche sicher zu verschließen. Er stellte die Tasche vorsichtig auf den Boden, als wäre ein Glasdildo darin. Keine Ahnung warum mir ausgerechnet diese Metapher in diesem Moment in den Kopf schoss. So sexy war der Herr Nachbar nun wirklich nicht. Mit einem Ruck öffnete er das Verschlussband. Ein Griff in die entrollte Tasche und er hatte, was er suchte. Die Arbeit war schnell getan. Der Wein zum Dank gern genommen. Kurz schaute er mich an, als wäre auch ein Kuss nicht auf Ablehnung gestoßen. Aber der Augenblick verging. Und der Herr Nachbar war weg, seine Tasche in der Hand.
Stunden später kam mein angetrauter Handwerker. In der Hand seinen Werkzeugkoffer, der so keck neben seinem Knie baumelte, als sei es eine Gucci-Tasche. Da war mir auf einen Schlag klar: Der Werkzeugkoffer ist die wahre Handtasche des Mannes.
Soll sich nochmal einer über Damenhandtaschen lustig machen!