Fass! Mich! An!

Von der kaum stillbaren Sehnsucht nach Berührung.

Angefangen hat bei mir die Berührerei mit einer kleinen Gruppe, die sich zum Partneryoga traf und unterdessen feststellte, dass wir alle Yoga auch allein können, aber gerne mit Berührung experimentieren würden. Und nach dem fünften Mal haben sich dann die Ersten getraut. Wir haben zu dritt einen Raum gemietet, die Regeln aufgestellt, und los ging‘s.

 

Text: Beate Kruse
Fotos: Erika Lust

 

Raum? Regeln? Und das soll Lust bringen?

Ich will nicht so dringend in einem Kuschelhaufen behaglich vor mich hin wabern (so was gibt’s auch als Ölbad für fünfzehn Leute, in dem Geglitsche verliert man praktisch sofort Orientierung und Kontrolle, eine wirklich verrückte Erfahrung), sondern ganz erwachsen und präsent mein Spüren verfeinern. Einer liegt, zwei bis vier berühren. Das Liegen und Genießen ist uns genauso wichtig wie die Phasen, in denen man berührt. Das ist gar nicht so einfach: sich mit anderen wortlos abzustimmen, synchron zu streicheln, alle mit demselben Druck und Tempo. Auch eine Herausforderung: absichtslos zu berühren, obwohl da ein sexy nackter Körper vor einem liegt. Auf die Weise lernt man, zu sehen und zu spüren, wie es dem Liegenden geht, was er braucht, wo Berührung nottut. Das kann sehr heilsam sein. Ich hab immer wieder Magenprobleme und kann mich darauf verlassen, dass die wirklich guten Berührer das intuitiv merken und jemand eine Hand auf meinem Magen ruhen lässt, obwohl das ja in keiner Weise zum Setting gehören würde und ich nicht darum gebeten habe.

Wir fassen uns an diesen Abenden nicht einfach bloß an, wir zelebrieren mit heiligem Ernst und auch schon mal haltlosem Gekicher Berührung. Wir sind Tantriker, wir wollen nebenbei auch was lernen. Außerdem ist die Grenze von herrlich zu schmierig ein schmaler Grat, und damit der nicht überschritten wird, bekommt jeder exakt die gleiche Zeit an Berührung, auf die feinsten Signale wird reagiert – auch schon mal mit Nachfragen. Zudem findet das Ganze nicht im heimischen holzvertäfelten Partykeller bei süßem Sekt und launiger Musik statt, sondern in einem sau-edel eingerichteten Raum. Weil es auch körperlich anstrengend ist, drei Leute jeweils eine Dreiviertelstunde am ganzen Körper zu berühren, wird in den Pausen gegessen, gelacht, geduscht. Und dann sind wir wieder ganz für eine Person da, die Berührung empfangen darf. Es ist ein Fest. Ich war noch nie so wach und so … nackt. Wenn die Leute in meinem anderen Leben davon wüssten!

 

In meinem anderen Leben heißen Feste eher Party und gehen so: Man tauscht sich über Projekte aus, versucht stundenlang, klug und lässig rüberzukommen, und flirtet mehr oder weniger offen in drei Richtungen. Aber nachts um zwei hab ich dann auch keine Lust mehr, obwohl schön wär, wenn mal wieder jemand in meinem Bett schlafen würde. Ein schlafender Mann ist wertvoller als gar kein Mann. Naja, mal sehen, was sich ergibt.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich hab durchaus auch Interessen, die nur am Rande mit meinem Körper zu tun haben. Aber denen kann ich jederzeit problemlos nachgehen. Was ich jedoch selbst in der Großstadt nicht so leicht ausgelebt kriege, ist meine Sehnsucht nach Berührung. Wie wundervoll wäre es, wenn sich mittelalte Leute statt zum Gin Tonic ganz offiziell zum Berühren verabreden könnten! Kann man aber nur in bestimmten Kreisen, die dann Kuschelgruppe oder Kuschelhaufen oder so genannt werden, und (auch von mir!) mit Übergewicht, Erbärmlichkeit, selbstgestrickten Pullovern und Blähungen in Verbindung gebracht werden. »Eintauchen in die Welt der Sinne, des Fühlens & des Nichtstuns – einfach nur entspannen, auftanken und genießen!«, heißt es auf dem Werbeblatt einer dieser Gruppen. Das klingt doch erstmal gut. Das klingt sogar sehr gut. Nichtstun könnte ich wirklich mal wieder. Das geht doch allen so. Wie kann so etwas als jämmerlich verschrien sein?

Wir sind von unseren Körpern und erst recht unseren Seelen entfremdet, scheint mir. Der Körper ist nur noch Projektionsfläche von Status, von Disziplin und Effizienz; die Seele ist … ja, was zum Teufel eigentlich? Und der Verstand, den wir so schätzen, braucht nun tatsächlich keine Streicheleinheiten. Der braucht höchstens alle Jubeljahre mal ‘ne Pause, und die verschaffen wir ihm über Alkohol und Sex.

Kuscheln klingt nach Schwäche, nach Regression, damit will heutzutage aber wirklich keiner in Verbindung gebracht werden. Doch die Sehnsucht ist da. Gut dass in diesem Jahrtausend niemand mehr raucht: Inzwischen benutze ich die Pausen beim Sex eigentlich fast immer, um den Mann in meinem Bett ausgiebig durchzustreicheln. Zigaretten holen gehen die meisten hinterher aber trotzdem …

Den vollständigen Artikel lesen Sie in Séparée No.12.

 

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