Eine blutige Angelegenheit

Über Menstruation spricht man lieber nicht? Höchste Zeit das zu ändern.

Kaum zu glauben aber Menstruation in Verbindung mit Sex stellt selbst in unserer aufgeklärten Welt noch immer ein Tabuthema dar. Kein Wunder, ist doch die weibliche Regel allein schon für viele anstößig genug. Wir von der erdbeerwoche beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit dem Thema Menstruation und haben uns für Séparée auf die Suche nach den Ursprüngen dieses Tabus gemacht.

Text: Bettina Steinbrugger und Annemarie Harant
Foto: Erdbeerwoche

Regel, Periode, der rote Ferrari

… Besuch von Tante Rosa oder eben Erdbeerwoche. Für kaum ein anderes (deutsches) Wort gibt es wohl so viele kreative Synonyme wie für die Menstruation. Wen wundert’s: Bemüht sich unsere Gesellschaft doch schon seit Jahrtausenden darum, das Eindeutige nicht beim Namen zu nennen. Mit einigen wenigen Ausnahmen zeigt sich über unterschiedliche Epochen, Gesellschaftsstrukturen und Erdteile hinweg ein und dasselbe Bild: Die Menstruation wird meist als etwas Schmutziges, Unreines oder Verbotenes, in wenigen Fällen auch als etwas Mystisches wahrgenommen. Im Alten Testament etwa wurde die Regelblutung als „krankhafter monatlicher Ausfluss der Frau“ oder in manchen Deutungen sogar als Konsequenz des Sündenfalls – die Strafe Gottes – beschrieben. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurde dem Menstruationsblut nachgesagt, es sei giftig und könne Lebensmittel verderben oder zum schnelleren Verderb beitragen. Andererseits sollte es auch magische Kräfte haben.

Zwischen Verherrlichung und Verdammung

Beleuchtet man die sprachliche Herkunft des Wortes Tabu, so zeigt sich eine interessante Parallele: Mit großer Wahrscheinlichkeit leitet sich „Tabu“ vom polynesischen Wort „tapua“ ab, welches „etwas Heiliges“, aber in unterschiedlichen Kontexten auch Menstruation bedeutet. Die Periode war also immer schon auf eine gewisse Art und Weise anziehend, aber auch verabscheuungswürdig – somit das perfekte Tabu!

Man braucht allerdings gar nicht so weit in der Geschichte zurückgehen, um einen verklärten und zum Teil diskriminierenden Umgang mit der Regel zu beobachten. Noch heute werden Mädchen in vielen Teilen der Welt aufgrund der Tatsache, dass sie menstruieren, vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. In Nepal etwa dürfen viele Frauen während ihrer Regel mit niemandem sprechen. In einigen Gebieten müssen Frauen ihre Tage sogar in abgeschiedenen Menstruationshütten verbringen, in denen sie oftmals verschiedenen Gefahren ausgesetzt sind. Erst kürzlich wurde wieder ein Fall bekannt, wo ein junges Mädchen in einer solchen Hütte beim Versuch, ein wärmendes Feuer zu machen, starb. In Indien, wo wir 2016 gemeinsam mit dem WDR eine Reportage zum Thema „Verbotene Tage“ drehten, mussten wir am eigenen Leib erfahren, was es für indische Frauen bedeutet, zu menstruieren. Sie dürfen während ihrer Periode nicht in den Tempel gehen oder im selben Raum wie andere Familienmitglieder schlafen. Aufgrund des fehlenden Zugangs zu Binden versäumen zudem viele indische Mädchen 5 Tage im Monat die Schule bzw. später die Arbeit. Aufgerechnet sind das fünf Jahre ihres Lebens. In ländlichen Teilen Indiens bricht laut WHO sogar eines von fünf Mädchen die Schule ab, nachdem sie ihre Periode bekommen hat.

Regelschmerzen als volkswirtschaftliches Desaster

Obwohl wir europäische Frauen von Glück reden können, nicht mit derartigen Stigmata und Diskriminierungen konfrontiert zu sein, ist auch in unseren Breitengraden die Menstruation noch immer weit davon entfernt, ein alltagstaugliches Gesprächsthema zu sein. Obwohl zwischen zehn und dreißig Prozent aller Frauen unter so starken Regelschmerzen leiden, dass sie ihrem Alltag in den ersten Tagen ihrer Periode nur schwer nachgehen können, wird darum nicht viel Aufhebens gemacht. Da es nach wie vor für viele Männer und Frauen (!) ein „peinliches“ Thema ist, nutzen Frauen manchmal eine Notlüge, wenn sie aufgrund starker Regelschmerzen der Arbeit oder ihrer Ausbildungsstätte fernbleiben müssen. Das war dann wohl wieder mal ein Magen-Darm-Virus…

Dass das Ganze nicht nur ein Problem für jede einzelne Frau, sondern auch für die gesamte Gesellschaft ist, zeigen diverse Studien, die die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Regelschmerzen beziffern: So entstanden etwa für die europäische Wirtschaft in nur einem Jahr aufgrund von Endometriose (einer gutartigen chronischen Erkrankung der Gebärmutterschleimhaut) Kosten von über dreißig Milliarden Euro.

 

Den vollständigen Artikel lesen Sie in Séparée No.12.

Bettina Steinbrugger und Annemarie Harant gründeten 2011 in Wien „erdbeerwoche“, eine Bewusstseinsplattform für Menstruation und nachhaltige Frauenhygiene. www.erdbeerwoche.com

Lili Murphy-Johnson ist eine junge britische Schmuckdesignerin. Ihre Schmuckstücke und Kunstwerke beschäftigen sich mit dem Tabuthema Menstruation. Von ihr stammt auch das Cover der Ausgabe.

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