Spanking

Spanking ist mittlerweile salonfähig geworden. Wir haben mit Alexander Strecker gesprochen, der sich zu seiner Leidenschaft offen bekennt.

Als Kinder werden wir dazu erzogen, nicht zu hauen. Wem im Sandkasten mal die Hand ausrutscht, der kriegt es schnell mit der Mama oder dem Papa des Opfers zu tun. Als Eltern haben wir uns das Maßregeln mit der Hand (zum Glück) abgewöhnt. Und für Erwachsene untereinander gilt allgemein: Gewalt löst keine Probleme. Wie aber erklärt sich der sexuelle Lustgewinn, den manche Menschen daraus ziehen, wenn sie andere schlagen bzw. geschlagen werden?

Interview: Janina Gatzky
Foto: Erika Lust

 

Séparée: Woher kommt Ihre Vorliebe für das Spanking?

Alexander Strecker: Das „Woher“ ist wohl für alle Menschen mit gewissen Vorlieben eine zentrale Frage. Erstmal ist es verwirrend etwas zu fühlen oder sich etwas Bestimmtes zu wünschen, was sich gesellschaftlich nicht erklären lässt, denn schließlich ist Schlagen verpönt. Damit muss man umgehen lernen. Ich denke, das Akzeptieren der eigenen Vorliebe ist der erste Schritt, egal, ob man nun weiß, woher diese kommt oder nicht. Woher meine Vorliebe für das Spanking kommt, kann ich nicht genau sagen. Meine Eltern sind sicher nicht schuld, ich hab’s irgendwie mitgebracht. Jedenfalls begleitet mich das Thema schon seit meiner Pubertät.

Was macht Spanking für Sie so aufregend?

Was emotional-körperlich passiert, ist schwer zu beschreiben. Ein Versuch: Wenn man erotische Reize auf einem Barometer messen könnte, dann kann aus einer „10“ in kurzer Zeit auch mal eine „15“ werden, weil einen etwas innerlich erregt. Spanking bedeutet für mich zum bestehenden Reiz der Erotik noch eins draufzulegen. Es ist eine auf persönlichen Reizen aufgebaute Situation, deren Reiz man weiter steigern möchte. Dabei spielt das „Drumherum“ eine ebenso große Rolle wie das Spanking an sich. Ich glaube, es geht um die Erfüllung innerster Träume und Vorstellungen. Der Wunsch, manche Dinge mal auszuprobieren oder sogar als inneren Ausgleich anzunehmen, ist eine Freiheit, die in unserer Gesellschaft vermutlich zu wenig gelebt wird. In unserer Zeit, in der alles in enge Zeitfenster gepackt ist, ist es umso wichtiger, Abstand zu den alltäglichen Dingen zu gewinnen. Meine sexuelle Vorliebe gestattet mir, ähnlich wie bei einem Hobby, ab und zu aus meinem Alltag auszubrechen.

Sie sagen von sich: „Ich habe ein gesundes Frauenbild, bin sehr höflich und traditionell veranlagt“. Was genau müssen wir uns denn unter einem „gesunden Frauenbild“ vorstellen?

Mir gefällt der Gedanke, dass sich zwei Menschen auf Augenhöhe begegnen, respektvoll und liebevoll miteinander umgehen, in dieselbe Richtung blicken und eine tiefe, innere Verbundenheit fühlen. Wer so etwas sucht, muss das aber auch mitbringen. Unter „traditionell“ verstehe ich Werte wie Offenheit, Ehrlichkeit, Transparenz der eigenen Ziele. Umgangsformen und persönlicher Stil sind mir wichtig. Ich lache gerne und mag konstruktiven Diskurs – das heißt für mich traditionell. Um es mit den Worten von Maya Angelou zu sagen: „I’ve learned that people will forget what you said, people will forget what you did but people will never forget how you made them feel.“
Auf das Spanking bezogen heißt das für mich: Wenn man es geschafft hat, jemanden zu finden, der einem gut tut und einen weiter bringt, ist gegenseitige Unterstützung leichter, wenn man dieselben Vorlieben hat. Zwei Menschen, die die gleichen oder ähnliche Vorlieben teilen, erleben ihre gemeinsame Sexualität intensiver als zwei Menschen mit unterschiedlicher sexueller Neigung. Wer das Glück hat, sein Pendant kennenzulernen oder bereits gefunden zu haben, sollte dies erkennen und dankbar sein.

Zugegeben, für mich ist die Vorstellung, von einem Mann geschlagen zu werden, unerträglich. Braucht man eine sadistische Ader, um Spaß daran zu haben, Frauen weh zu tun?

Keine wertfreie Frage, aber meine Antwort lautet „nein“. Der Schmerz steht zwar offensichtlich erstmal im Vordergrund, doch die Erregung und die Situation sollten so reizvoll sein, dass sich der Schmerz in den Hintergrund verschiebt und man stolz ist, „es“ so zu inszenieren, dass die Frau genießt und mehr will. Die persönlichen sexuellen Geheimnisse spielen hierbei eine große Rolle und sollten dem Anderen bekannt sein, um die Situation für beide Seiten so erregend wie möglich zu machen. Also die Aktion eher als Reaktion auf einen Wunsch verstanden. Mit Sadismus hat das für mich nichts zu tun.

Woher wissen Sie, dass eine Frau wirklich Spaß daran hat, den Hintern versohlt zu bekommen?

Ich denke, es ist ein wenig wie beim Sex. Den Anderen lesen zu können, hilft natürlich. Ich kann nur sagen, dass Kopfkino und Realität sicher oft voneinander abweichen und man einfach rausfinden muss, was einen stimuliert. Meine persönliche Erfahrung zeigt mir, dass es gar nicht so schwer ist, jemanden dafür zu sensibilisieren. Ich denke, viele Frauen wären sogar erstaunt, dass Spanking sie doch irgendwie erregt. Und ich vermute, bei Männern ist es ähnlich. Fatal ist es, wenn man einen unerfüllten Wunsch in sich trägt und nie darüber spricht. Sexuelle Offenheit bedeutet für viele Menschen auch innere Freiheit, Ausgeglichenheit und Geborgenheit.

Können Sie uns erklären, was für den aktiven Part beim Spanking reizvoll ist?

Da kann ich viele Gründe nennen. Es geht im Kern wieder um das große Thema „Reiz“. Eine Situation, die erotisch aufgeladen ist, in Eigenregie allmählich zu steigern, ist vermutlich mein Ziel. Dann noch der Geruch von etwas Verbotenem, Obszönem, mal die Regeln brechen …
Es ist das Spiel mit der Macht, obwohl sich aus meiner Sicht der aktive Teil bizarrer Weise unsichtbar dem passiven „unterwirft“, da er diesen ja stimulieren will. Ich meine damit: Wenn der passive Teil „abgeben“ möchte, dann muss auch jemand dastehen, um ihn aufzufangen. Ich glaube, es ist ähnlich wie beim Tanz: Der Mann muss führen können und die Frau muss sich führen lassen (wollen).
Beim „Übers-Knie-legen“ entstehen bestimmte Reize, die für viele Menschen ungewohnt sind, doch bei Menschen mit dieser Vorliebe löst genau das eine Erregung aus (auch im Kopf), wie kaum etwas anderes. Menschen, die mit alledem nichts anfangen können, springen auf andere Reize an, die sich für mich ungewöhnlich anfühlen. Also, leben und leben lassen! Ein Motto, an das wir uns in unserer Gesellschaft öfter halten sollten.

Und was macht Spanking für den passiven Part reizvoll?

Wer gerne den passiven Teil übernimmt, hat meiner Meinung nach den Wunsch, mal abzugeben und sich fallen zu lassen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für manche Menschen um das Thema innere Ausgeglichenheit geht. So wie sich viele nach ausgiebigem Sport frei fühlen, kann auch Spanking befreiend wirken. Die Motivation und Sinngebung für Spanking ist aber individuell.

Wenn ich Sie richtig verstehe, geht es den meisten Spankophilen eher um das erotische Spiel als tatsächlich darum, dem anderen Schmerz zuzufügen.

Meiner Partnerin Schmerz zuzufügen, ist für mich beim Spanking per se nichts Schlechtes oder Schlimmes – es geht schließlich um die Luststeigerung. Es ist das Spiel zwischen Schmerz, Erregung, sexueller Stimulanz und dem großen Ganzen. Je nach Wunsch oder Situation kann es auch mal härter zugehen, da vielleicht eine Regel verletzt wurde und man will, dass der empfangende Part den Schmerz vordergründig fühlt. Im Gegensatz dazu kann man auch mal verwöhnend und zärtlich sein – je nach Situation. Wenn beide es wollen, kann diese Spielart eine spannende Reise werden. Wichtig ist: Offen miteinander reden und sich den Raum für freie und gelebte Sexualität geben oder bauen.

Sie stehen mittlerweile offen zu Ihrer sexuellen Leidenschaft. Wie würden Sie Ihren Coming-out-Prozess beschreiben? Wie geht Ihr Umfeld damit um?

Mein Coming-out war zu der Zeit, als ich Spanking mit 22 zum ersten Mal gelebt habe. Erst zögerlich, dann immer direkter. Ab einem gewissen Punkt wollte ich wissen, wie die Menschen in meinem Umfeld mit diesem Thema umgehen, aber ich wurde nicht gerade positiv überrascht. Ich traf oft auf Ablehnung und Unverständnis, da „schlagen“ bekanntlich keine Probleme löst. Kommentare wie „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sowas erotisch sein kann“ habe ich als Antwort bekommen. Nach und nach habe ich dann aber Menschen kennen gelernt, die das auch interessant fanden. Stück für Stück habe ich Spanking in mein Sexleben mit einfließen lassen, neue Dinge ausprobiert und den Wunsch verspürt, immer mehr zu experimentieren. Schließlich ist es zu einem festen Bestandteil meiner Erotik geworden.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie durch das Spanking gemacht, die prägend waren bzw. sind?

Wenn zwei Menschen sich auf diesem Feld begegnen, stehen Vertrauen, Offenheit, Lust und Respekt ganz oben. Diese Offenheit strahlt auch in andere Bereiche der Beziehung und stützt sie. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist die fortwährende Stimulanz der gemeinsamen Erotik. Spanking kann hilfreich sein, damit Regeln nicht verletzt werden, d.h. man kann damit klare Grenzen setzen. Ich habe sogar Menschen getroffen, die mir erzählt haben, Sie führen jetzt ein besseres und ausgeglicheneres Leben, seitdem sie angefangen haben, ihre sexuellen Wünsche zu respektieren und zu leben. Und ich habe Menschen kennen gelernt, die mir ans Herz gewachsen sind. Ich bin heute Teil einer Subkultur mit vielen Facetten.

 

Alexander Strecker ist Gründer von Get Into Gear, für das er “Handmade Spanking Equipment” herstellt und vertreibt. Das vollständige Interview mit ihm ist in Séparée No.12 zu lesen.

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