Die Geschichte des Büstenhalters reicht viele Tausend Jahre zurück. Seine Spur lässt sich mindestens bis ins antike Ägypten und Griechenland zurückverfolgen.
Text: Janina Gatzky
Foto: Palmers Archiv
Vor 100 Jahren trugen Frauen der Überlieferung nach Brustbinden, eine Leibbinde, die unter der Brust getragen wurde. Häufig trug die Dame von damals ihre Brüste aber offen zur Schau, wobei meist nur eine Brust von der über der Schulter hängenden Tunika verhüllt wurde. Wie Männer mit dieser Freizügigkeit umgegangen sind, ist nicht bekannt. Brustbinden, die beide Brüste bedeckten, waren lediglich bei Sportveranstaltungen populär.
Im Mittelalter gewandete sich die Frau züchtig. Dieser Anspruch bezog sich vor allem auf die nackte Haut, die frau zeigen durfte. „Weniger ist mehr“ war in dieser Hinsicht das Modecredo der Zeit. Weite, lange Kleider waren in. Über das Tragen und das Aussehen von Unterwäsche ist wenig bekannt, da die meisten Erkenntnisse über die Mode jener Zeit aus Gemälden stammen und die zeigten selten intime Szenen. Vermutlich trugen Frauen keine Unterwäsche im heutigen Sinne. Vor Unterhosen wurde regelrecht gewarnt, sie könnten Schwangerschaften abträglich sein. Warum dies so sein sollte, darüber kann man heute nur schmunzelnd spekulieren. Unterwäsche im mittelalterlichen Sinne hieß vor allem einiges an Unterkleidern. Sie dienten bis ins Spätmittelalter dazu, vor allem die Haut des Dekolletees und die durch die weiten Ärmel des Oberkleids bloß gelegten Unterarme vor sündigen Blicken zu verstecken. Eng geschnürte Ledermieder und schulterfreie Blusen hat es der Überlieferung nach nicht gegeben. Sie sind eher ein Produkt der Fantasy-Mode oder historisierter Pornoindustrie. Mieder kamen erst im 15. Jahrhundert auf. Richtig üppige Rundungen und große Brüste waren schließlich im Barock en vogue. Wer nicht von Natur aus mit einer Oberweite gesegnet war, die Rubens veranlasst hätte, den Pinsel zu schwingen, behalf sich mit einem Korsett.
Bis zum 19. Jahrhundert waren Korsetts das Mittel der Wahl, wenn es darum ging, Frauenkörper nach dem Schönheitsideal der Zeit zu formen. Aber sie waren in zweierlei Hinsicht unpraktisch. Zum einen mehrten sich Stimmen, die zurecht vor den gesundheitlichen Folgen des Korsetttragens warnten: Atemnot, Übelkeit, Ohnmacht bis hin zu gynäkologischen Problemen. Außerdem dauerte das Einschnüren seine Zeit und war kaum ohne Hilfe zu bewerkstelligen. Kaiserin Sissi soll nicht selten eine gute Stunde damit zugebracht haben. Darüber hinaus erwies sich das steife Kleidungsstück mit seinen Stützen aus Fischbein oder gar Stahl als äußerst unpraktisch für die Frau am Beginn des Industriezeitalters, die sich immer öfter bücken musste, um die Hausarbeit selbst zu erledigen. Es war also kein Zufall, dass am Ausgang des Jahrhunderts erste Patente für Brusthalter angemeldet wurden. Revolutionär an ihnen war vor allem die Trennung von Brust und Taille und von Brust und Brust. Hatte man bis dahin beide Brüste zusammengeschoben, um mehr Oberweite zu suggerieren, so wurden sie nun in ihrer natürlichen Position gestützt und geformt.
Am 5. September 1899 meldete ein Frl. Christine Hardt aus Dresden ein Patent auf einen Rockträger an, der aus zusammengeknüpften Taschentüchern als Brustbedeckung bestand, die von Herrenhosenträgern gehalten wurden. Man sollte eine Straße nach dieser Frau benennen. Aber ihr gedenkt man eben so wenig, wie Mary Phelps-Jacobs, einer Amerikanerin, die 1914 unter der Nummer 1115674 ihr Patent für ein Brassiere anmeldete. Es ist wohl in erster Linie ihrem Geschäftssinn zu verdanken – sie verkaufte noch im selben Jahr das Patent an Warner Brothers Corset Company – dass sie heute als Erfinderin des BHs gilt, obwohl sie nachweislich nicht die Erste war, die ein Brusttragegestell erfunden hatte. Dabei war auch ihre Erfindung aus der Not geboren. Denn als sie vier Jahre zuvor zu einem Ball wollte und ihr Korsett unter ihrem Kleid hervorstach, beschloss sie kurzerhand, auf das unbequeme Kleidungsstück zu verzichten und bastelte aus Seidentaschentüchern und Schleifenband einen Büstenhalter, der auch bei ihren Freundinnen großen Anklang fand.
Der Siegeszug des BHs war in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nicht mehr aufzuhalten. Bald wurden verschiedenste Modelle entwickelt, die den Bedürfnissen von Frauen mit kleiner oder großer Oberweite gerecht wurden. Die verwendeten Stoffe wurden weicher und elastischer. Der Tragekomfort stieg ebenso wie Muster- und Farbenvielfalt. Der BH wurde zum Massenprodukt. So verkaufte die Firma Triumph im Jahr 1952 bereits 13 Millionen Stück in Europa. Und der BH wurde zum Designobjekt. Dennoch blieb er ein Symbol für die Beschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen. Die 68er setzten mit öffentlichen BH-Verbrennungen ein Zeichen für die Gleichberechtigung und Befreiung der Frau und forderten ein Ende der männlichen Vorherrschaft in der Gesellschaft. Wie es darum steht, sei an dieser Stelle dahingestellt. Fakt ist, dass der BH überlebt hat. Mehr als das: Er macht verlässlich jede Mode mit.
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