Interview: Janina Gatzky / Foto: Miguel Ferraz
Stevie Schmiedel im Interview
Séparée: Reden wir über den Stand des Feminismus. Im Begleittext zu deinem Buch habe ich gelesen, dass laut einer Studie der Universität Leipzig aus 2022 26 % der Deutschen den Feminismus ablehnen. Das seien 8 % mehr als im Vorjahr! Daraus wird geschlossen, dass die Frauenfeindlichkeit in alarmierendem Maße zunehme. Ist das wirklich so oder könnte vielleicht auch dahinterstecken, dass sich mehr Menschen nicht mehr im aktuellen Diskurs wiederfinden, bei manchen Entwicklungen nur noch mit den Augen rollen und sich von dieser Form des Feminismus abwenden, ohne gleich wieder in die 50er zurückzuwollen?
Stevie Schmiedel: Ja, Feminismus polarisiert – insbesondere der junge, linke Feminismus. Nicht alle, die gegen ihn wettern, wollen Frauen gleich für immer hinter den Herd verbannen oder misshandeln. Aber diese Menschen werden sicher auch nicht aktiv für Frauenrechte eintreten. Der Feminismus in Deutschland steht nicht gut da, einige Zahlen sollten uns stark beunruhigen: Seit 2003 haben sich die Stellen in Deutschland, an denen man Schwangerschaftsabbrüche durchführen kann, um 50 % verringert. Um 50 %! Das ist verrückt. Wir haben weiter viel sexualisierter Gewalt gegen Frauen und gerade häusliche Gewalt stieg in der Pandemie stark an. Wir haben außerdem mehr Delikte gegen LGBTQIA+. Und wir haben eine Rentenschere von 60 %. Mütterarmut ist ein Riesenthema. Dass wir also einen großen Backlash erleben oder in Themenbereichen nicht wirklich vorankommen, ist real.
Was sind denn die aktuellen Kampfthemen? Worüber wird gestritten und worüber nicht?
Wenn man bedenkt, dass in Hamburg zum Christopher Street Day 2022 über 250.000 Menschen auf der Straße waren, könnte man sagen: Wir sind uns einig, dass Queer-Feindlichkeit abgeschafft gehört. Immer mehr Unternehmen werben mit dem Regenbogen und zeigen homosexuelle Paare in der Werbung. Auch zum Thema Frauen in der Führung geht es leicht voran. Aber es mangelt wirklich an Debatten, Demos und Erfolgen bei Themen wie Hebammenrechte, Familienarbeitszeiten, Menstruationsurlaub, Wechseljahrs-Karriereknick: Es wird hier und da thematisiert, aber es gibt keine großen, medialen Aktionen dazu. Stattdessen wird eher dargestellt, dass wir uns über Kopftuchverbot ja oder nein, Rechte für Sexarbeiterinnen oder die genaue Ausformulierung des neuen Selbstbestimmungsgesetzes in den Haaren liegen. Wir müssen hin zu den Themen, die wir gerade vernachlässigen und dazu laut werden, um wieder als produktiver Feminismus für alle wahrgenommen zu werden.
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