Fest verbunden

Unsere umtriebige Redakteurin Ruth Batella war wieder mit ihrem Mann unterwegs, diesmal bei einem Workshop für japanische Bondage.

Anleitungen für japanische Bondage gibt es im Internet massenhaft, doch ohne grundlegende Vorkenntnisse bleibt es ein Gefriemel. Auch die Umsetzung eigener Ideen erweist sich ohne die richtigen Seile, Knoten und Techniken als schwierig und ist mit etwas Pech sogar gesundheitsschädigend. Seit unserer Teilnahme an einem Workshop können wir uns beim Fesseln nun einfach dem Vergnügen hingeben.

 

Text: Ruth Batella
Foto: Bondageproject.com/Ropeart.de

Das Spiel mit Macht und Unterwerfung fand ich schon immer sehr reizvoll. Nicht, dass ich ausschließlich devot oder dominant wäre, aber jemandem zu zeigen oder gezeigt zu bekommen, wie mächtig und bedingungslos man begehrt (wird), ist unglaublich erregend für mich. Das Spiel mit Seilen ist nur eine Facette davon. Jemanden in einer bestimmten Stellung fixieren zu können und die Hände zur ungestörten Liebkosung frei zu haben, oder andersherum dem Partner und seiner Fantasie vollkommen ausgeliefert zu sein, weil man von Seilen gehalten wird und sich fallen lassen kann ohne nachzudenken oder etwas tun zu müssen. Ich mag auch den Anblick einer Fesselung auf dem nackten Körper, wenn zum Beispiel die Brüste umrahmt und dadurch akzentuiert werden. Mit dieser Vorstellung habe ich bei meinem Mann offene Türen eingerannt, aber über eine relativ stümperhaft improvisierte Fesselung mit weichen Baumwollseilen kamen wir nie hinaus.

Vor Kurzem haben wir also an einem Workshop für japanische Bondage von Matthias Grimme und seiner Bondage-Partnerin Nicole teilgenommen, die dafür von Hamburg nach Berlin kamen.

Die beiden empfangen uns und die anderen Kursteilnehmer in einem Künstleratelier in einem Kreuzberger Hinterhof. Als wir eintreffen, sind schon einige der sieben teilnehmenden Paare in der ebenerdigen Küche versammelt. Es sind auffällig viele sehr üppige Frauen und Männer anwesend. Als alle beisammen sind, begeben wir uns in das geräumige Atelier. Auf dem Boden liegen Tatami-Matten, an den backsteinernen Wänden und gemauerten Säulen hängen gerahmte Bondage-Fotos, an der Decke starke Haken. Wir setzen uns im Quadrat auf niedrige Polster. Bei der Vorstellungsrunde fällt uns auf, dass wir die einzigen Berliner sind, alle anderen sind für das Wochenende angereist: aus Cottbus, aus Frankfurt am Main, aus Köln und anderswo. Der Altersdurchschnitt dürfte um die vierzig liegen. Die meisten praktizieren Bondage schon länger, haben teilweise auch schon Kurse bei Matthias und Nicole besucht. Die beiden bitten darum, dass alle ihre körperlichen Befindlichkeiten nennen, auf die später beim Fesseln Rücksicht genommen werden sollte. Hier zickt ein Knie, dort eine Schulter, da der Rücken, fast alle haben irgendein Zipperlein. Das ist nicht das hartgesottene BDSM-Volk, das wir erwartet haben. Nur einer, der neben uns sitzt, wirkt mit seiner Glatze und seiner gestrafften Körperhaltung wie ein harter Kerl. Bei sich trägt er einen silberfarbenen Koffer, der wohl seine Instrumente beherbergt.

Dann wird es eine halbe Stunde sehr sachlich. Matthias und Nicole fangen mit den wichtigsten Grundlagen an, nicht nur für alle Neulinge, sondern auch für die Kenner zum Auffrischen. Ganz oben steht: Der Gefesselte ist nicht das „Opfer“, sondern der Partner. Seine Befindlichkeiten haben beim Fesseln immer oberste Priorität, sei es eine juckende Nase, kalte Füße oder einschlafende Hände. Den Wünschen des Gefesselten ist immer sofort Folge zu leisten, gerade, aber nicht nur bei Hängebondage. Einschlafende Gliedmaßen müssen sofort befreit werden, damit es nicht zu langfristiger Beschädigung der Nerven oder Taubheit in den Fingern kommt. Zwischen einem ersten unangenehmen Kribbeln und Gar-nicht-mehr-aushalten-Können liegen oft nur ein paar wenige Augenblicke. Deshalb ist es auch extrem wichtig, den Gefesselten niemals allein im Raum zu lassen – und sei es auch nur für einen kurzen Moment. Für den Notfall, falls das Abfesseln nicht schnell genug geht, sollte man unbedingt ein geeignetes Schneidewerkzeug griffbereit halten, zum Beispiel eine starke Schere mit abgerundeten Spitzen oder ein Tauchermesser.

Gefesselt wird mit Hanf- oder Juteseilen, die es in verschiedenen Längen und Stärken gibt, üblich sind Seile in 5 bis 6 mm Dicke und acht Meter Länge. Auf dem Boden oder im Bett besitzen die DIN-Normen keine Relevanz, aber bei Hängebondage ist unbedingt auf die Tragfähigkeit zu achten.

Leichtfertig gehen Matthias und Nicole mit den Gefahren beim Bondage definitiv nicht um. Beiden fallen immer neue potenzielle Risiken und tatsächliche Vorkommnisse ein. So dumm wie es manchmal kommt, kann man gar nicht denken. Was mache ich zum Beispiel bei Feueralarm mitten in der schönsten Session? Und wie sieht es mit der rechtlichen Situation aus: In welchen Ländern stellt beiderseitig einvernehmliches Bondage trotzdem Freiheitsberaubung dar und wo kann man es ungestraft ausüben?

Alles wichtige Aspekte, keine Frage, aber ich bin dankbar, als es endlich an die Praxis geht. Wir ziehen unsere Schuhe aus und wer möchte, kann in bequeme Kleidung wechseln. Der Verwegene neben uns packt sich seinen Koffer auf den Schoß und lässt die Verschlüsse aufschnappen. Wir schauen automatisch zu ihm rüber, insgeheim gespannt, was er wohl zum Vorschein bringen wird. Als er seiner Frau hellblaue Plüschsocken für den fußkalten Kellerboden rüberreicht, bricht die ganze Runde in Gelächter aus.

 
 

Wie der Workshop weiterging, lesen Sie in Séparée No.22.

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