Einmal Kuscheln Bitte

Die Haut ist unser größtes Sinnesorgan, (Haut-)Kontakt mit anderen Menschen ein Grundbedürfnis. Da dessen Befriedigung oft zu kurz kommt, bieten Profikuschler:innen ihre Dienste an.

Text: Franziska Wasian / Foto: stock.adobe.com

 

Die kleinen Härchen im Nacken stellen sich auf und ein wohliger Schauer krabbelt uns den Rücken rauf und runter. Der Blutdruck sinkt, der Stress lässt nach, der Kopf geht aus und das Herz geht an. Kuscheln fühlt sich ein bisschen an wie unter Omas Daunendecke zu kriechen, die frisch bezogen so gut duftet und sich eng an uns schmiegt. Kuscheln ist Geborgenheit. Kuscheln ist gesund und ein Lebensmittel. Wir brauchen es zum Leben. Berührungen geben uns vom Tag der Geburt an das Gefühl von Nähe und Vertrauen, Zugehörigkeit und „Angenommen sein“.

Meine ersten Kuschelerfahrungen habe ich vor ein paar Jahren gemacht. Damals in der Weiterbildung zur Sexualtherapeutin. Ich erinnere mich genau an den Stuhlkreis. An meine Nervosität. Meine schweißnassen Hände. An Berührungen von wildfremden Menschen. Zuerst nur ganz zart am Unterarm, dann an der Schulter. Ganz langsam haben wir uns vorgetastet. Und irgendwann den ganzen Körper mit einbezogen. Umarmungen bis zur Entspannung (nach David Schnarch).

Ein paar Monate später dann Gruppenkuscheln in einem ganz anderen Setting. Auch das war eine besondere Erfahrung. Acht Menschen in einem Raum. Wir kannten uns – waren uns nicht fremd. Und waren dennoch zittrig, aufgeregt und unruhig. Und immer die Stimme im Hinterkopf, die flüsterte: Was wird hier gleich passieren? Wie wird es sich anfühlen? Ich habe bisher nur mit Männern gekuschelt. Wie geht das mit einer Frau? Ich weiß, dass Sexualität hier keine Rolle spielt. Das mulmige Gefühl ist trotzdem da. Außerdem der Gedanke: Wie kann ich meine Grenzen kommunizieren und gleichzeitig die meiner Mitkuschler*innen wahren? Einatmen, ausatmen. Den Kopf ausschalten. Ruhig werden. Weich werden. Fühlen. Nehmen und geben. Kuscheln ist eine heilsame Erfahrung. Und dass sie gut für Körper und Seele ist, das habe ich auch beim Profikuscheln festgestellt.

Kristin Zabel aus Magdeburg ist Profikuschlerin. Ich bin mit ihr zum Interview verabredet. Schulterlange braune Haare hat sie, ist zierlich und hat große rehbraune Augen, die entschlossen und ehrlich schauen. Kristin gehört zu den Menschen, die man sofort ins Herz schließt und nicht wieder gehen lassen will. Ruhe strahlt sie aus und Liebe. Auch wenn das kitschig klingt. Die Frau, die da vor mir steht, ist mit sich im Reinen. Das ist schön und fühlt sich gut an.

Zum Kuscheln kam Kristin über Umwege. Zunächst hat sie studiert. Philosophie und Germanistik. Und hat sich dann auf die Suche nach einem Beruf gemacht, der sie erfüllt, mit dem sie anderen Menschen helfen und in der Gesellschaft etwas bewegen kann. Über eine Bekannte hat Kristin dann erfahren, dass es das Profikuscheln gibt. „Im ersten Moment habe ich gestutzt. Und hab dann gedacht, das ist voll schön, weil man Menschen ganz direkt etwas Gutes tun kann“.

Kristin kuschelt bei sich zuhause. Voraussetzung dafür ist, vorab einen Termin zum Kuscheln zu machen. Außerdem müssen die Regeln besprochen werden. Das passiert meist im Vorfeld per E-Mail. „Grundsätzlich ist es so, dass Berührungen in der Bikinizone tabu sind – ebenso küssen“. Außerdem bleiben die Klamotten an, kuscheln mit einer dicken Erkältung, unter Alkoholeinfluss und/oder Drogen fällt aus und das schwere Parfüm bleibt zum Kuscheltermin auch im Schrank. Ach – und vorher zu duschen wäre auch schön.

Was es sonst noch zu beachten gibt und wie das Kuscheln sich anfühlte, lesen Sie in Séparée No.21

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