Porno feministisch – Ein Wiederspruch

Das studentische Porno-Start-up "feuer.zeug" in Freiburg produziert feministischen und fairen Porno. Ein Interview.

Vor zwei Jahren gründeten Kira Renée Kurz und Leon Schmalstieg das studentische Porno-Start-up „feuer.zeug“ in Freiburg. Wir haben mit ihnen darüber geredet, was Pornos feministisch und fair macht.

 

Interview: Ava Weis
Fotos: Fabio Smitka/fudder.de, feuer.zeug

Séparée: Wenn ich an Süddeutschland denke, denke ich an alles andere als an Porno. Warum Freiburg?

Kira: Das war Zufall, weil wir hier studieren. Nach der Gründung wurden wir oft gefragt: „Warum im katholischen Süden?“ Wir wollen zeigen, dass es Porno auch abseits der großen Metropolen gibt. Genau deswegen stellen wir das explizit in unserem Claim fair.feminist.freiburg-based heraus.

Leon: Wir wollen die Sphäre erweitern. Abseits von Berlin gibt es noch Barcelona. Im süddeutschen Raum gab es bisher kaum ein Pornoszene. Langsam verändert sich das aber, z. B. mit dem Porn Film Kunst Festival „Natural Instincts“ in Stuttgart. Wir haben uns nie viele Gedanken um dieses freiburg-based gemacht, weil wir hier auch dieses wunderbare Team gefunden haben. 

Kira: Wir haben super viel Unterstützung bekommen aus ganz unterschiedlichen Ecken. Das ist auch etwas, das man hier nicht so erwartet hätte.

Leon: Außerdem wollen wir das Studium erstmal fertig kriegen.

Was studiert ihr?

Kira: Leon studiert Medienkulturwissenschaft und Philosophie und plant, seine Bachelorarbeit auch im Bereich Porn-Studies zu schreiben. Ich bin gerade am Ende meines Masters in Global Studies (interdisziplinäre Sozialwissenschaften) und habe vorher Politik- und Wirtschaftswissenschaften studiert.

Wie seid ihr überhaupt zum Porno gekommen? 

Leon: Ich habe mich zur Abizeit schon damit beschäftigt, wie sich der Pornokonsum von Jugendlichen auf das Frauenbild männlicher Jugendlicher auswirkt. 

Kira: Ich habe mit Pädagog*innen zusammen Sexualaufklärung angeboten und durch die vielen Unterhaltungen kamen wir automatisch auf das Thema Porno. Schließlich begegnet ihnen das andauernd im Klassenzimmer. Das fand ich sowohl spannend als auch erschreckend. Also habe ich mich eingelesen. Dabei fand ich Leute, die schon alternative Pornos produzieren, was ich richtig cool fand. Und wie das oft so ist, spinnt man an einer Idee herum und irgendwann sagt man: „Komm, wir machen da jetzt ein Projekt daraus.“

Wie kam euer Team dann zustande? Sind alle Mitwirkenden Studierende?

Kira: Nicht alle, aber schon viele. Der Großteil des Teams stammt aus dem erweiterten Freundes- und Bekanntenkreis. Wie das immer so ist, kennt jemand jemanden und so wächst man. Einen Kameramann haben wir über einen Online-Aufruf gefunden und ein, zwei andere Leute haben uns kontaktiert, weil sie Lust hatten, dabei zu sein. Die meisten sind Studierende in ganz verschiedenen Fachbereichen, aber für Maske, Kamera und Schnitt haben wir Menschen im Team, die hauptberuflich beim Film arbeiten.

Seid ihr „nur“ Produzent*innen oder führt ihr auch Regie oder beteiligt euch anderweitig kreativ?

Kira: Ja, wir produzieren nur. Die Regie wird für jeden Film neu besetzt, weil das dann auch immer eine weitere Perspektive auf Sexualität bedeutet.

Letztes Jahr erschien euer erster Film „Retour“. Jetzt kommt der zweite Film „Seeseiten“ raus. Soll es bei einem Film pro Jahr bleiben oder wird es mehr geben?

Kira: Dadurch, dass das ganze Projekt für alle Beteiligten nebenher läuft, sind wir, was personelle und zeitliche Ressourcen angeht, stark limitiert. Zusätzlich sind wir natürlich auch finanziell eingeschränkt. Das heißt, wir finanzieren den zweiten Film aus den Einnahmen aus dem ersten Film. Das bestimmt, wann wir überhaupt weiter produzieren können. Gleichzeitig gibt es auch Ideen für kleinere Projekte.

Ihr beschreibt eure Pornos als feministisch und fair. Nach welchen Kriterien entscheidet ihr?

Kira: Wir definieren das prinzipiell auf zwei Ebenen. Einmal gibt es die Produktionsebene, was bedeutet, dass wir Frauen in Schlüsselpositionen und nicht nur als Darsteller*innen besetzen. Wir haben eine*n Sorgenbeauftragte*n am Set, der darauf achtet, dass Grenzen eingehalten werden oder dass bei expliziten Szenen kein Zeitdruck aufkommt, dass unsere Verträge ohne Kleingedrucktes sind und dass unsere Darsteller*innen das Material freigeben, nachdem sie es gesehen haben und es in Ordnung finden. Dann haben wir noch die Darstellungsebene, also welche Bilder wir erfüllen. Wir wollen eine gewisse Körpervielfalt darstellen, was natürlich erst ab einer bestimmten Menge an Filmen funktioniert. Bei ein, zwei Filmen klappt das noch nicht so ganz. Wenn wir unsere Darsteller*innen auswählen, casten wir wohlgemerkt ohne Bilder und nur nach Motivation und Logistik. Ebenso wollen wir sexuelle Vielfalt zeigen, also verschiedene Orientierungen und Vorlieben. Dabei schließen wir herabwürdigende Darstellungen aus, außer alle Beteiligten wollen das und tun es explizit kund. Wir wollen Consent (dt. Einverständnis, Anm. d. R.) zeigen, der sich filmisch festhalten lässt. Und Safer Sex. Also wenn es eine Situation ist, in welcher der Verstand sagt, da sollte ich jetzt nicht ohne Kondom oder Lecktuch mit einer Person schlafen, dann zeigen wir das auch. Wie bei unserem ersten Film. Wenn ich jemanden beim Trampen kennenlerne, dann sollte ich unbedingt auf Krankheits- und Schwangerschaftsverhütung achten. Darüber hinaus wollen wir Sex in realistischen Settings zeigen. Es gibt schon ganz viele tolle Produzent*innen im alternativen Bereich, die sehr phantasievolle oder abstrakte künstlerische Filme zeigen. Wir möchten aber, dass Zuschauende sich leicht identifizieren können. Nicht zuletzt ist uns noch wichtig, dass wir auf der konzeptionellen Ebene ablehnen, Menschen als „exotisch“, also mit rassistischen Begriffen, zu bezeichnen.

Sind Sorgenbeauftragte bei alternativen Produktionen üblich?

Leon: Nein, das ist ein Novum, das wir aus den Entwicklungen der Szene mitgenommen haben. Uns wurde bewusst, dass es auch im alternativen Bereich dazu kommen kann, dass Produktionsstandards nicht eingehalten werden. Wir wollen mit unseren Prinzipien Wort halten. Zum einen machen wir das durch Transparenz, in dem alle sehen können, wie wir arbeiten. Es gibt zum Beispiel Making-of-Material, auf das alle zugreifen können, und Veranstaltungen, bei denen man dem Team Fragen stellen kann. Zum anderen gibt es eine Person, die darauf achtet, dass es allen Beteiligten am Set zu jeder Zeit gut geht. Wenn Konflikte aufkommen, können sie so leichter gelöst werden. In Bezug auf den Consent war uns noch wichtig, wie das eigentlich präsentiert und mitgeteilt wird. Meistens wird es nur irgendwie über Gestik oder Mimik gemacht, aber das ist uns zu wenig. 

Kira: Wichtig ist, dass die Person, die du im Film siehst, auch wirklich als Person dargestellt wird und nicht nur als eine Rolle. Zum Consent ist auch noch wichtig zu sagen, dass wir keine Vorgaben machen, wie die expliziten Szenen aussehen sollen. Die Darstellenden besprechen untereinander, was sie zeigen möchten. Wir sagen nicht: „Ihr seid ein heterosexuelles Paar, wir wollen penetrativen Sex sehen“, sondern sie entscheiden, was gefilmt wird. Davon hängt natürlich auch ab, wie der Consent sichtbar gemacht wird.

Leon: Zusätzlich wird auch die Personenanzahl während des Drehs der expliziten Szenen so gering wie möglich gehalten. Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass, wenn Menschen sich vor der Kamera ausziehen und ihre Sexualität ausleben, da nicht fünfzehn Leute drum herumstehen. Kamera, Regie, Ton, fertig.

 
 

Das vollständige Interview lesen Sie in Séparée No.25.

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