Das Verständnis, dass die Geschlechter nicht zwei Pole – weiblich und männlich – bilden, sondern eher ein Spektrum darstellen, hat sich in den letzten Jahren in der Wissenschaft durchgesetzt. Dazu kommt die soziale Konstruktion von
Geschlecht. Wir haben mit Nicolette über ihren Weg vom Mann zur Frau gesprochen.
Interview: Hannah Brandt
Fotos: PR Nicolette
Séparée: Man kennt dich mittlerweile als Nicolette in den sozialen Medien. Geboren wurdest du als Junge. Wann wusstest du, dass du im „falschen“ Körper steckst?
Nicolette: Ich glaube, dass Kinder in den ersten Lebensjahren gar nicht wissen, ob sie männlich oder weiblich sind, es spielt gar keine Rolle. So war es auch bei mir. Ich habe einfach „gelebt“ und keinerlei Zweifel an mir gehabt. Bis dann eines Tages der erste Erwachsene zu mir kam, um mir zu erklären, dass das, was ich mag, dass das, was ich bin, nicht angebracht für einen Jungen sei. Das war der Punkt, als ich glaubte, hier stimme etwas nicht. Und das Dilemma war geboren.
Wie war dein Weg von dieser frühen Erkenntnis zu der schillernden Frau, die du heute bist?
Den Leidensweg detailliert zu schildern, würde hier den Rahmen sprengen. Ich formuliere es kurz: Mein Körper war zerfressen von Traurigkeit, Wut und Selbstverachtung. Ich habe mich vor mir selbst geekelt. Und als nichts mehr half, lernte ich jemanden kennen, der mir sagte: „Du bist eine Frau, so schön, dass du es nicht begreifen kannst!“. Von da an nahm alles seinen Lauf.
Was waren die größten Hürden? Und wie hat dein Umfeld reagiert?
Mein Umfeld war verständnisvoll, genauso wie es überfordert war. Es hat Jahre gedauert um zu verstehen, was Transsexualität bedeutet und welche Auswirkungen sie mit sich bringt. Und selbst wenn heute vieles gelöst zu sein scheint, verstehen nur die wenigsten, was die Vergangenheit in mir angerichtet hat. Meine Unsicherheit wird bleiben, die bekomme ich nicht mehr aus mir heraus.
Was würdest du Eltern und Jugendlichen raten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden?
An alle Eltern: Sucht euch Hilfe. Festzustellen, dass der eigene Körper nicht der richtige ist, ist für euer Kind eine Höllenqual. Helft ihm, sich daraus zu befreien und fürchtet euch nicht, nach Rat zu fragen! Es ist völlig okay.
An alle Kinder: Ab jetzt wird alles gut. Versprochen!
Was macht Frausein für dich aus?
Was weiblich ist, entscheidet jeder für sich selber. Aber wenn mich eine Sache fasziniert, dann ist es die Tatsache, dass kein Geschlecht auf dieser Welt so großes Potential hat, Liebe und Fürsorge zu verbreiten wie Frauen. Frausein bedeutet für mich, an Liebe zu glauben und daran, dass alles glänzen und funkeln kann. Frauen haben es immer ein bisschen schwieriger, aber auch immer ein bisschen einfacher.
Hast du eigentlich auch Problemzonen?
Ich habe ein Bindegewebe wie ein Becher Tiramisu – viel zu locker und bei Hitze quillt es. Meine Haut ist dicker als die von Benjamin Blümchen, und ich habe auf jeder Seite mindestens vier Knie. Ansonsten bin ich ein Traum.
Dürfen wir etwas intimer werden? Kann man eine Vulva mit allem Drum und Dran funktionsfähig konstruieren?
Bei einer nachkonstruierten Scheide ist es immer davon abhängig, wie die körperlichen Voraussetzungen sind bzw. waren. Welcher Arzt hat operiert und noch wichtiger, mit welcher Methode. Ich bin in Frankfurt operiert worden – ein Desaster. Ich wurde verstümmelt und musste bei der Krankenkasse darum betteln, dass die Flickarbeiten bezahlt werden. Einige Jahre und viel verlorenes Blut später kann ich sagen, dass ich sehr zufrieden bin mit meinem Unterleib, und bislang hat sich noch niemand über den Zustand beschwert. Ich würde es immer wieder tun, aber nicht mehr in Deutschland.
Hattest du eigentlich jemals Sex als Mann? Wie erlebst du Sex jetzt als Frau und wie haben Hormone dein sexuelles / sinnliches / erotisches Empfinden verändert?
Ich hatte im männlichen Körper nie Sex, weil ich diesen Zustand missachtet habe. Ob sich mein sexuelles Verhalten durch den Wandel verändert hat, kann ich nicht genau sagen. Es ist allerdings so, dass ich Sex sehr gut von Gefühlen separieren kann. Ich bin die ausgezeichnete Affäre. Das ist gar kein Problem. Ich verliebe mich nur sehr schwer. Es braucht viel, um mich zu faszinieren.
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