Mina Urban lebt seit 13 Jahren in einer Ehe ohne Sex und hat jahrelang sehr darunter gelitten. Inzwischen ist die Liebe zu ihrem Ehemann jedoch nur noch tiefer geworden, denn sie hat gemerkt, Sex und Liebe sind zweierlei. Seit einigen Jahren schreibt und coacht sie zum Thema, um anderen Betroffenen zu helfen.
Text: Mina Urban
Foto: VadimGuzhva – Fotolia.com
Der sexuelle Lebenslauf
Sex können wir heute ohne viel Aufwand bekommen. Es gibt ihn an jeder Ecke des Internets. Das Treffen findet schnell statt und hat mit Liebe meist nur wenig zu tun. Trotzdem halten sich im umgekehrten Fall Gerüchte wie: Wenn der Sex geht, dann stimmt etwas mit eurer Beziehung, mit eurer Liebe nicht.
Bevor wir zum Paar werden, hat jeder, was Zärtlichkeit, Zuwendung und Körperlichkeit betrifft, eigene Erfahrungen gemacht. Nach der ersten Verliebtheit, wenn sich die aufgewühlten Hormone beruhigen, fallen wir in unseren eigenen Rhythmus zurück. Unser Verlangen und unsere Lust sind so einmalig wie unser Daumenabdruck. Ich nenne es: den eigenen sexuellen Lebenslauf. Es ist sehr häufig der Fall, dass Paare unterschiedliche Bedürfnisse haben. Wir sollten dabei auch in Betracht ziehen, dass es in jedem sexuellen Lebenslauf Pausen gibt. Das ist normal. Zwischen Kindern, Krankheit, Beruf und Alltag können wir unsere Lust schon mal verlieren. Temporäre Lustlosigkeit hat sicher jeder schon einmal erlebt. Zum Problem wird Lustlosigkeit erst dann, wenn sie zu einem Teufelskreis wird. Einer will immer – der andere lehnt immer ab. Und das dauerhaft. Dies kann soweit führen, dass sogar küssen oder jegliche andere körperliche Annäherung nicht mehr möglich ist.
Ich habe mein eigenes Leiden sehr lange ausgehalten. Lange dachte ich, mein Mann liebt mich nicht. Er kann nicht mein Seelenpartner sein. Als ich 10 Jahre in meiner Ehe ohne Sex durchgehalten hatte, stand ich vor der Entscheidung: Entweder ich unternehme etwas oder ich werde krank. Mit niemandem konnte ich darüber reden. Es hat lange gedauert, bis ich selbst meiner besten Freundin davon erzählt habe. Danach habe ich das Gespräch mit Frauen und Männern gesucht, denen es ähnlich geht und festgestellt: Die Scham ist so groß, selbst wenn wir manchmal über Sex sprechen, das Negative lassen wir aus.
Welche Lösungen gibt es?
Gespräche mit dem eigenen Partner sind natürlich am sinnvollsten, aber die Angst, diesen zu verletzen oder gar zu verlieren, sitzt tief. Gelingt es uns doch, den Geliebten anzusprechen, lässt der sich mitunter nicht auf ein Gespräch ein. So war es auch in meiner Ehe.
In den Fällen, in denen der Partner sowohl die sexuelle als auch die verbale Kommunikation ablehnt, bleiben drei grundlegende Möglichkeiten:
Resignieren: Das kennen wir von vielen älteren Paaren, die nicht so viele Wahlmöglichkeiten hatten wie wir heute. Man verharrt und gibt sich leidend seinem Schicksal hin.
Die Konsequenz ziehen: Das kann Vieles sein. Entweder wir betrügen den Partner oder trennen uns. Oder wir befriedigen uns selbst und belassen es dabei. Manche versuchen, eine Therapie zu machen. Es ist auch möglich, eine offene Beziehung zu etablieren.
Akzeptieren: Das bedeutet, den Zustand anzunehmen. Das Kämpfen einzustellen und vor allem aufzuhören, sich selbst zu bemitleiden. Und sich dann auf sich selbst zu besinnen. Sich in Selbstliebe und in bedingungsloser Liebe zu schulen. Verstehen, dass Sexualität jedem Menschen selbst gehört und nicht von einem Partner abhängig ist. Es geht nicht darum, eine Lücke zu schließen, sondern aus dem zu schöpfen, was wir in uns selbst haben. Akzeptanz ist die schwierigste und langwierigste Übung.
Manchmal gehen Konsequenz und Akzeptanz Hand in Hand. Das ist die wohl beste Möglichkeit, die eigene Sexualität zu heilen.
Das Arbeitsbuch Ehe ohne Sex
Das Arbeitsbuch Ehe ohne Sex soll als Werkzeug dienen, mit dem sich jeder selbst darüber klar werden kann: Wo stehe ich in meiner Beziehung? Was sind meine Bedürfnisse? Was macht mir überhaupt Lust? Es soll auch helfen, sich auf den Beginn der Beziehung zurückzubesinnen: Warum habe ich mich verliebt? Was schätze ich an meinem Partner?
Wir können meist sehr gut benennen, was wir NICHT wollen. Unlust – davor haben wir zum Beispiel alle Angst. Doch genau das kann die Lösung sein. Warum soll die Lust unser Sexleben diktieren? Geben wir der Lust denn ausreichend Spielraum, sich beim zärtlich intimen Spiel zu entwickeln? Wenn wir einander vertrauen und wissen, wo wir noch experimentieren können, gewinnt unser Beziehungssex an Qualität. Eine ganz wichtige Frage in dem Buch lautet: Was wäre für uns eine gute sexuelle Weiterbildung? Slow Sex und Tantra sind zum Beispiel gute Methoden, um sich wertschätzend nahe zu sein. Der Orgasmus ist nicht das Ziel, sondern ein Geschenk. Die Verschmelzung mit allen Sinnen zu erleben, erfordert, wie alles im Leben, ein wenig Übung. Es gibt Sexschulen und Kurse, die den Einstieg erleichtern.
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Der vollständige Beitrag ist in Séparée No.16 zu lesen.
Von Mina Urban unter anderem erhältlich „Ehe ohne Sex – Irrtümer – Erfahrungen – Auswege“. Das Arbeitsbuch zum Thema folgte 2017. www.ehe-ohne-sex.de
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