No muscles, all brains!

Sapiosexuelle definieren ihre Sexualität über ein Feuerwerk des Esprits.

Intelligenzler aller Länder, köpft eine Flasche Champagner und zeigt’s den Sportskanonen und Bettnarzissten! Das Zeitalter der Superhirne dämmert rosa am Horizont der Sinne! Eine gefühlte Ewigkeit mussten Streber und Schlauberger herbe Schmach erdulden. Als erotische Versager wurden sie hingestellt, elende Liebhaber. Ejaculatio praecox prangte beim ersten Date schon auf der Stirn. Endlich gibt es einen zündenden Gegenbeweis. Endlich dürfen die Korken im Silicon Valley knallen!

 

Text: Theresa S. Grunwald
Foto: Erika Lust

Hoher IQ, High-Quality-Sperma

Die perfekte Rechtfertigung für dionysische Genüsse liefern Wissenschaftler der University of Mexico, die eine Korrelation zwischen Intelligenz und Spermaqualität feststellten. Und was folgern wir daraus? Mieses Sperma zeugt von Wechsler-Test sprengender Intelligenz? Deshalb vielleicht meine Aufforderung an alle Hyperintellos, sich schleunigst zu einer Selbsthilfegruppe zusammenzuschließen, deren Mitglieder nicht am Fortbestand einer degenerierten Menschheit Schuld sind? Weit gefehlt! Männer mit höherem IQ hatten gemäß Testergebnis gesünderes und besseres Sperma.

Über Liebhabereigenschaften sagt die Spermaqualität allerdings nichts aus. Oder ist irgendeiner Leserin bzw. einem Leser ein Zusammenhang zwischen hochintelligenten Sprösslingen und besonders lustvollem Zeugungsvorgang bekannt? Genies können während Kamasutra-Séancen und Kinky Games gezeugt werden oder während eines Bang Bang-One Shots, der dem weiblichen Orgasmus nicht die geringste Chance gibt. Es besteht jedoch durchaus die realistische Chance, bei einem intelligenten Lover auf einen Menschen mit Lernpotenzial zu treffen. Das bedeutet nicht nur, dass er stante pede die Komplexität der Klitoris und der weiblichen Libido begreift, sondern auch noch über das Ziel hinauszuschießen verspricht. Der IQ130+Lover vermag zu recherchieren, zu kombinieren und die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Mit ein bisschen Geduld und praktischer Nachhilfe ist dann auch die Umsetzung nur noch ein Kinderspiel. Ein weiterer Pluspunkt, den mancher Schlaukopf verbuchen darf, ist seine Fähigkeit zu Empathie und Einfühlungsvermögen. Das fortwährende Mobbing während seiner Kindheit (Nö, der Eierkopf spielt nicht mit! Oh, guck mal, hat er schon wieder ´nen Kaugummi an der Hose kleben!) haben ihn frühzeitig gelehrt, auf Regungen der Mitmenschen zu achten und jedes Signal positiver Zuwendung zu verstärken. Während sich McMuscle im Spiegelschrank bewundert, den Bizeps spielen lässt und sein Schwanz Mr. Pepper, dem Kaninchenrammler, Konkurrenz macht, konzentriert sich IQ 130+ auf die Glücksempfindungen der Geliebten, wird angespornt vom leisesten Mmmh, dem zartesten Oh.

Brain trifft Beauty

Wer glaubt, dass Intelligenzbestien erst gar nicht zum Zuge kämen und Lover-Qualitäten folglich in den seltensten Fällen gemessen werden können, täuscht sich. Gemäß einer US-Studie glauben Männer unabhängig von der Einschätzung ihrer eigenen Attraktivität an ein hohes sexuelles Interesse ihres weiblichen Dates, sofern dieses sehr attraktiv ist. Das männliche Denkschema ist demnach stark von Positive Thinking geprägt. Im konkreten Fall sieht das dann so aus: Nerd trifft Beauty. Check: sehr attraktiv. Fazit: Sie will mit mir in die Kiste. Koppelt man diese Feststellung nun an die Auswertungen einer amerikanischen Forscherin, die eine erhebliche sexuelle Selbstüberschätzung bei hochintelligenten Männern feststellte, liegt das Ergebnis auf der Hand: Ich bin clever und heiß! Du stehst auf mich!

Sartre-Klon und Barbarella Supergirl

Lässt man die Augen über zufällig ausgewählte Pärchen in Theatern, Kinos, Straßencafés schweifen, reibt man sich tatsächlich manchmal verwundert die Augen über die denkwürdigen Konstellationen. Wie jetzt? Der Sartre-Klon mit Barbarella Supergirl? Da hängt sie tatsächlich an seinen Lippen und lauscht seinen Ausführungen über Funktion und Bedeutung von Gliazellen, die Dolls Eyes auf das Gesicht des Professors gerichtet und ab und an mouth noises, wie die Briten zu sagen pflegen, von sich gebend. Klischee? Yes, aber aus Fleisch und Blut, wahrlich und wahrhaftig. Dass ungleiche Verbindungen nach dem Prinzip „Gegensätze ziehen sich an“ nicht unbedingt Glück verheißen, beweist ein illustres Paar der amerikanischen Film- und Literaturgeschichte. Marilyn Monroe war fasziniert von Arthur Millers Intellekt und politischem Engagement. Er vermochte dem Botticelli-Körper des traurigsten aller Mädchen, die ihm bekannt waren, nicht zu widerstehen. Beide überforderten sich emotional und scheiterten. „Marilyn kam aus den vierziger und fünfziger Jahren“, schreibt Miller in seiner Autobiographie „Zeitkurven“. „Sie war der Beweis, dass es für Sexualität und Ernsthaftigkeit in der amerikanischen Psyche keine Koexistenz gab, ja, dass dies feindliche, einander abstoßende Gegensätze waren.“ Liebespaare leben, worauf auch immer ihre Attraktivität basieren mag, nicht isoliert von ihrer Umwelt. Niemand ist eine Insel! Ist der erste Hormonrausch erst verflogen, versengen die Blicke der anderen das zarte Liebesband, langweilen die Mundgeräusche Barbarellas den Retter der Witwen und Waisen, den Utopisten und Feingeist.

 
 

Aber funktioniert eigentlich auch die Umkehrung? Wie ergeht es sexy Akademikerinnen mit ihren sapiosexuellen Ansprüchen? Das lesen Sie in Séparée No.10.

 

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