Nur zum Blumengießen

Eigentlich waren die Schlüssel zur Praxis ihrer Freundin nur zum Blumengießen gedacht, aber dann kam es anders ... von Mona Lux (Foto: Erika Lust)

Hörst du mir zu? Ich muss dir etwas erzählen. Bevor es ein anderer tut. Also, ich habe da doch diesen kleinen, netten Italiener vor ein paar Wochen auf dem Markt kennengelernt. Habe ich dir doch erzählt. Du weißt schon, als ich mich am Gemüsestand nicht für Zucchini oder Aubergine entscheiden konnte. Da fällt mir ein, weißt du eigentlich, dass es diese schönen, handgefertigten Gemüsedildos gibt? Aus Silikon. Die sehen aus wie echtes Gemüse. Werden, glaube ich, in einer kleinen Manufaktur in Dresden hergestellt. Die Ostdeutschen waren ja noch nie so prüde wie wir hier im Westen. Ja, genau, auch mit FKK. Du hast recht. Jedenfalls war ich so ganz in Gedanken, als plötzlich Luigi neben mir stand und mich fragte, ob er mir etwas empfehlen dürfe. „Zucchini eignen sich auch für ein ausgezeichnetes Pesto.“ Hatte er meine Gedanken erraten, wozu sich dieses Gemüse sonst noch eignete? „Mein Großvater liebte meine Großmutter immer dafür, wie sie es auf Lollorosso anrichtete. Ein altes Hausrezept sozusagen.“ Wie hatte ich das denn zu verstehen?

Er grinste mich breit an. Ich konnte ihm direkt in die Augen schauen. Groß war er nicht, aber witzig. Und mit eigentümlichen Gesichtszügen. Der Mund schmal und spitz zulaufend. Die Nase lang und dünn. So wie bei Pinocchio. Es kann hilfreich sein, einem Mann auf die Nase zu schauen. Ja, das dachte ich auch gleich. Schau dir immer seine Nase an. Nach einem kurzen Flirt ließ er mich jedenfalls mit einem fröhlichen „Ciao Bella“ etwas verdutzt stehen.

Was ich dir eigentlich erzählen wollte? Ja ja, ich komme schon zum Punkt. Wie es weiter ging, weißt du schon. Ich traf Luigi immer mal wieder auf dem Markt. Immer kleine Flirts und gut. Apropos Flirt. Hat sich der Typ, den du im Urlaub getroffen hast, denn eigentlich noch mal bei dir gemeldet? Ach, echt? Wie süß! Da bin ich ja gespannt. Gestern jedenfalls lief mir Luigi doch tatsächlich im Biergarten über den Weg. Wusstest du eigentlich, dass die jetzt im Biergarten Palmen aufgestellt haben? Solche wie in deiner Praxis. Ich meine, bei dir gedeihen die ja wirklich prächtig. Ja, natürlich, während deines Urlaubs habe ich die ordentlich gegossen. Aber so draußen stehende Palmen? Bin gespannt, wie lange die dort überleben. Aber die Atmosphäre ist schon klasse. Es kam mir gestern ein bisschen wie im Süden vor. Bei dem lauen Sommerabend. Und mit Luigi war es echt nett. Wir redeten, bis sie uns rausschmissen. Der kann echt viel erzählen. Sehr amüsant. Dann auf dem Weg zum Auto blieb er plötzlich stehen und meinte, „das hätten wir schon lange mal tun sollen.“ und hing, schwuppdiwupp, an meinen Lippen. Ich sage doch, damit hatte ich gar nicht gerechnet. Da standen wir da und knutschten. So richtig. Und du weißt, wenn ich richtig knutsche, dann gibt`s kein Zurück. Ich weiß, ich weiß, du kannst knutschen nur um des Knutschens Willen. Ich habe mich aber da nicht so im Griff.

Was sollten wir also tun? Du kennst das ja. Nein, stehend im Hauseingang ist nicht meins. Im Auto endet es oft mit Verrenkungen der verschiedensten Gelenke. Zu Hause sind die Kinder noch wach oder werden es spätestens beim Herumdrehen des Schlüssels in der Haustür. Wenn sie nicht alle längst schon mein Bett belegt haben und ich mich noch in die Besucherritze quetschen kann. Jedenfalls, wie soll es dir sagen? Ich hatte doch noch den Schlüssel deiner Praxis in der Tasche. Jaaa, ich weiß. Nur zum Blumengießen war ausgemacht. Aber was sollte ich tun? Libido saß mir wieder einmal auf der Schulter und lechzte. Du kennst sie doch auch. Du weißt wie sie ist. Sie taucht immer dann auf, wenn du sie überhaupt nicht erwartest. In der Schlange beim Bäcker zum Beispiel. Wenn vor dir dieser Typ mit dem Knackarsch steht und du ihn auf der Stelle anspringen könntest. Oder in einer öffentlichen Sitzung. Wenn du dem Anzugträger dort zuraunen möchtest, „Ich werde dir jetzt mit deiner Krawatte die Augen verbinden und deinen Kopf unter dem Tisch zwischen meine Schenkel führen“. So ist sie. Sie ist ein Luder.

Und plötzlich standen wir dann vor deiner Praxis. Ich weiß nicht, wie wir dahin gekommen sind. Aber ich konnte ihn nur noch bei der Hand nehmen und die Treppe hinauf zerren. Ja, natürlich waren wir leise. Auf der Treppe zumindest. Die Nachbarn? Nein, die haben sich glücklicherweise nicht blicken lassen. Puh, das wäre vielleicht peinlich geworden. Wie gut, dass du eine Psychotherapeuten-Praxis hast. Stell dir mal vor, du wärst Gynäkologin oder Zahnärztin. Das wäre bizarr geworden.

Aber so nett eingerichtet wie bei dir. So schön unter Palmen. Nein, keine Sorge. Wir haben nichts bekleckert. Wir haben doch Kondome benutzt. Ja, die habe ich auch nicht liegen gelassen. Hatte ich dir eigentlich schon erzählt, dass Luigi Masseur ist? Er begann erst einmal ganz ohne Eile mir eine Tantramassage zu geben. Ich sage dir, unglaublich! Der Mann hat heilende Hände. Und irgendwann klopfte seine Schwanzspitze an meine Tür. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und hinter der Tür lauerte wieder Libido und flüsterte, „Komm nur herein und ich werde dich verschlingen mit Haut und Haar“. Aber Libido hatte die Rechnung ohne Luigi gemacht. Dem lag nichts ferner als Eile. Ganz genüsslich lockte er sie immer wieder mit seinen geschickten Händen, seiner spitzen Nase oder seiner wendigen Zunge hervor, um sie dann tanzen zu lassen. Tanzen. In Wellen über meine ganzen Körper. Durch meinen Kopf. Besonders durch meinen Kopf. Und irgendwann waren alle Gedanken verschwunden. Sie waren einfach weg. Da waren nur noch die blanken Nerven, die seine Berührungen spürten ohne ein Gefühl zuordnen zu können. Ich kann diesen Zustand kaum beschreiben. Ich kann mich auch ehrlich gesagt nicht mehr richtig erinnern. Ich habe wohl ein wenig die Kontrolle verloren. Hoffentlich wirst du morgen nicht darauf angesprochen.

Aber weißt du was? Ich hatte ja schon seine eigentümlichen Gesichtszüge erwähnt. Das zeigte sich auch an anderen Stellen seines Körpers. Ja, auch da. Aber das eigentümlichste waren seine Füße. Während er mich massierte, konnte ich nur seine Füße sehen. Er hat Plattfüße. Unglaubliche Plattfüße. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ein Mann mit heilenden Händen und unglaublichen Plattfüßen. Daran werde ich mich erst noch gewöhnen müssen. Daran werde ich mich ganz bestimmt gewöhnen…

Und du, grins du nur! Ich weiß, du hast jetzt etwas gut bei mir.

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