Text: Séparée
Letztens trug ich ein neues Kleid, eines das wie für mich gemacht ist. Es umschmeichelt meine Form mit lässiger doch sehr weiblicher Eleganz. Es sieht nicht nach „aufgebrezelt“ aus, sondern nach natürlicher Schönheit. Prompt zog es die Blicke von so ziemlich allen anwesenden Herren im Restaurant auf sich. Ich badete mein Ego wonniglich darin und wippte gern noch einmal öfter zur Bar, um mir ein Glas Wasser zu holen.
Wenig später trat ein älterer Herr zu uns an den Tisch, wo ich mit Freundinnen saß, um mir zu erklären, dass er unbedingt einmal sagen müsse, dass ich eine wunderschöne Frau sei. Er war sehr höflich, ein Gentleman alter Schule, so alt wie mein Vater in etwa. Ich bedankte mich artig und freute mich wirklich sehr über das Kompliment, doch ich fragte mich innerlich, wieso es eigentlich keiner meiner Altersgenossen fertig bringt, mir so galant gegenüberzutreten. Stattdessen gucken sie nur gebannt und kriegen die Gusche nicht auf.
Wie letztens in der U-Bahn. Mir schräg gegenüber saß ein fescher Kerl so Mitte dreißig, dessen Blicken ich ab und zu begegnete. Ich fuhr ins Theater und war elegant, allerdings viel zu warm gekleidet. Es war eine längere Fahrt, ich zog mir bald die Strickjacke unter dem Mantel aus. Mein Schräg-Gegenüber nahm sich den Schal ab und öffnete seine Jacke. Das Knistern zwischen uns war so stark zu spüren, dass diese Gesten einem Striptease gleichkamen. Unser Lächeln wurde von Augenkontakt zu Augenkontakt breiter, schließlich lachten wir uns unverhohlen an, gefolgt von beiderseitigem Augenniederschlagen. Irgendwann stand der Mann auf, stieg aber nicht gleich aus, sondern ging an mir vorbei und hielt sich im Türbereich neben mir auf und besah sich den Linienplan. Es war ganz offenbar, dass er innerlich überlegte, ob oder wie er mich ansprechen könnte. Kurz überlegte ich, ihm zu Hilfe zu eilen und eine Visitenkarte zu zücken und ihm zuzustecken, aber das war es gar nicht, was ich wollte. Ich habe es satt, immer die Initiative zu ergreifen, nur weil die Kerle zu schüchtern sind. Ich bin die, die „gejagt“ und erobert werden will, nicht andersherum. Ich will sowieso keinen Mann, der sich nicht traut, mich anzusprechen. So saß ich da und wartete und er stieg irgendwann aus.
Also Männer, wenn euch eine Frau gefällt, sagt es ihr, mit einfachen, gepflegten Worten, ohne krampfhafte Coolness und aufgesetzten Witz. Ihr könnt dabei nichts verlieren. Frauen lieben es, Komplimente zu bekommen. Keine Frau lacht euch aus, nur weil ihr gewagt habt, ihr zu sagen, wie schön sie ist.