Die neue Lust der Frauen

Sie sind nachweislich viel häufiger und intensiver erregt, als sie selbst zugeben oder fühlen. Und: Sie suchen Abwechslung und finden sie. Eine Ode an die Freude der Frauen.

Text: Liebling & Schatz / Foto: fotolia.com – pierreart

 

Es gibt Dinge, die weiß doch irgendwie jeder. Egal, ob sie stimmen oder nicht. Widerspricht ja eh keiner. Spinat enthält jede Menge lecker Eisen, also immer rein damit in die widerwilligen Babymünder. Und Eisenbahnschienen sind nur deswegen so kurz und produzieren nur deswegen bei Zugfahrten dieses herrliche „Ratatat-ratatat“, weil sie sich bei Hitze verbiegen könnten. Nur: Beim Eisengehalt des Spinats war es schlicht ein falsch gesetztes Komma und bei den Schienen ein allseits akzeptiertes, physikalisches Gesetz, das erst Jahrzehnte später nachgeprüft wurde.

Was Spinat und Schienen um Himmels willen mit Sex zu tun haben? Die Gemeinplätze, diese hartnäckigen. Dass Frauen zum Beispiel prinzipiell eher monogam seien und ihre Lust auf Sex stetig abnehme – außer vielleicht noch in der Phase des ersten, wilden Verliebtseins. Passt doch bestens zu den ganzen Kumpel-Gesprächen, in denen sich Männer gegenseitig in ihren Vorurteilen über die sexuellen Aktivitäten ihrer Partnerinnen zementieren. „Meine hat echt nie Bock “, sagt der eine. „Also bei meiner glaube ich allmählich, die ist frigide“, der andere. Und die Mädels? Erzählen genau das Gegenteil: „Mein Freund ist richtig faul im Bett geworden“, heißt es dann. Oder: „Und meiner gibt sich null Mühe mehr.“

Also: Wie kommt es, dass die Wahrnehmungen – oder Wahrheiten – über die Lust der Frauen so unterschiedlich sind? Haben sie wirklich weniger Lust als Männer?

Eine Branche, die von Flauten und Ebben nichts, aber auch gar nichts mitbekommt, sind die Hersteller von Lovetoys. Sie beschäftigen sich eigentlich mit nichts anderem als dem Spaß an der Lust und haben es tatsächlich geschafft, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen. Und zwar wortwörtlich. Die Zeiten der düsteren und schmuddeligen Lasterhöhlen, in denen sich verklemmte wie notgeile Männer herumtreiben und die Frauen nur mit einer gehörigen Portion Mut betreten, sind vorbei. Heute gleichen viele Läden eher Mode-Boutiquen in Innenstadtlage – edles Ambiente und beste Beratung zu Dildos, Vibratoren, Pulsatoren und Smart-Balls inklusive. In Boudoir-artigen Umkleidekabinen probiert die werte Kundschaft verwegene Dessous nach jedem Geschmack und jeder sexuellen Ausrichtung.

60 Prozent von ihnen sind Frauen, zeigen Umfragen, und fast 60 Prozent von ihnen besitzen mindestens ein Lovetoy zur persönlichen Verlustierung oder zum Würzen des Liebesspiels mit dem Partner. Die anregendsten und tollsten Pornos werden eh schon von Frauen produziert, von Erika Lust, Ovidie, Petra Joy und all den anderen. Wieso also sollten Frauen weniger Lust haben als Männer?

Der renommierte US-Sexualtherapeut David Schnarch hat in seiner jahrelangen Praxis längst festgestellt, dass eventuelle Lustlosigkeit unter Männern genauso verbreitet ist wie unter Frauen. Allerdings, so Schnarch, sei es in unserer heutigen Konsensgesellschaft nun einmal so, dass derjenige mit der geringeren Lust auch bestimmt, ob Sex stattfindet oder nicht. Und das ist gut so. Hat allerdings nun mal zur Folge, dass sich in einer Beziehung dann auch derjenige Partner beklagt, der nicht so oft Sex haben kann, wie er möchte.

In der Forschung über unser Liebesleben hat übrigens im vergangenen Jahr ein Buch für mächtig Wirbel gesorgt, das ein vollkommen neues Licht auf den weiblichen Trieb wirft. In „Die versteckte Lust der Frauen“ hat der Autor Daniel Bergener alle Studien über die Sexualität der Frauen zusammengetragen und festgestellt, dass die meisten ein ziemlich schräges Bild über die weibliche Begierde abgeben.

Nicht nur, dass Frauen nachweislich viel häufiger und intensiver erregt sind, als sie selbst zugeben oder fühlen. Und dass sie, absolute Anonymität vorausgesetzt, viel mehr Sexualpartner angeben als in offenen Umfragen. Sondern auch, dass sie tatsächlich diejenigen sind, die in einer Partnerschaft schneller passiv werden – aber aus einem ganz anderen Grund: Sie langweilen sich sexuell nämlich viel schneller als ihre männlichen Geschlechtsgenossen und erreichen mit einem neuen Partner im Nu wieder sexuelle Höhenflüge, die sie manchmal selbst überraschen.

Mit so viel sexueller Selbstbestimmtheit scheint unsere Gesellschaft aber dann doch noch ziemlich überfordert. Ist doch das Ideal der monogamen Frau, die Sex hat, wenn sie nur artig liebt, seit Jahrhunderten so gelernt.

Warum also all die Konventionen und die unausgesprochene Langeweile im Liebesleben als Paar nicht einfach mal austricksen, indem man sich in neue Abenteuer stürzt? Und zwar gemeinsam. Von Rollenspielen, über Verabredungen in Stundenhotels bis zu Besuchen auf erotischen Maskennächten und diskreten Dates mit anderen Pärchen. Vorausgesetzt natürlich beide haben Lust darauf und genügend Vertrauen zueinander.

Und warum nicht einfach nur jauchzen, über die neue und emanzipierte Lust der Frauen, über die Freiheit der Selbstbefriedigung, die sinnliche Energie des Orgasmus und den Spaß und die Entspannung, die Finger und Lovetoys machen? Lange wurde es unterschätzt, das weibliche Begehren. Aber Frauen suchen Abwechslung und finden sie.

 

Liebling & Schatz sind seit fast 20 Jahren verheiratet und leben mit ihren zwei Kindern in München. Sie sind Paarberater und Autoren von Büchern wie „Höchste Paarungszeit – Erotisches für Eltern im Alltagschaos“. Weitere Tipps rund um erfüllte Sexualität und Partnerschaft gebendie Beiden regelmäßig auf www.fullonLOVE.de.

 

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